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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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traurig.
    Merkwürdig war, daß, seitdem er die tierische Qual des Räubers El Puñal mit angesehen hatte, sein eigenes Leid sanfter wurde.
    Einmal stand er mit seinem Gil vor dem Wirtshaus und schaute zusammen mit vielen andern zu, wie die acht Tiere der großen Postkutsche eingespannt wurden. Nun war es soweit, der Mayoral, der Erste Kutscher, nahm das Riemenwerk der vielen Zügel in die Hand, der Zagal, sein Helfer, schwang sich neben ihn, die Treiber und Gehilfen vor dem Wirtshaus hoben Steine und Stöcke, und nun, im nächsten Moment, wird sich die riesige Kutsche in Bewegung setzen. Goya sah,wie sie schrien, um die Tiere anzutreiben, und er konnte sich nicht halten, es riß auch ihm den Mund auf, und gellend stimmte er ein in das gelle Geschrei der Kutscher und Treiber: »Qué perrooo! Macho – macho – machooo!«
    Dann wieder wandten sich Goya und sein Gil von der großen Straße fort und schlugen die Seitenpfade ein. Hier noch häufiger als auf den großen Straßen fanden sie kleine Steinhügel, aufgeschichtet mit Kreuzen, und farbige Bildtafeln zur Erinnerung an Menschen, die an dieser Stelle umgekommen waren. Erstaunlich war, wie viele Menschen an der Straße gestorben waren, es mußte ihrer eine große Armee sein. Auf den Tafeln sah man, wie sie in Abgründe stürzten, von durchgehenden Tieren geschleift, von wilden Wassern weggeschwemmt wurden, wie Banditen sie mit Säbeln zerhackten oder wie ein einfacher Schlagfluß sie ereilte. Beigefügt war immer eine gereimte Aufforderung an den frommen Wanderer, stehenzubleiben und für die Seele des Verunglückten zu beten. Verwundert sah Gil, daß Don Francisco häufig nur den Hut abnahm und das Kreuz schlug.
    Streckenweise schlossen sie sich andern Zügen von Maultiertreibern an; denn es war besser, auf diesen abgelegenen Wegen nicht allein zu reisen. Goya drängte sich den andern nicht auf, und er vermied sie nicht; er scheute sich nicht, ihnen zu sagen, daß er taub sei. Immer mehr freundschaftliche Verehrung spürte Gil vor dem Herrn, dem er sich vermietet hatte, er betrog ihn selten und nur um kleine Beträge. Manchmal auch konnte er sich nicht enthalten, Franciscos Verbot zu mißachten und die andern wissen zu lassen, wer sein Reisender war und welches Übel ihn betroffen hatte.
    Einmal auch liefen sie Banditen in den Weg. Es waren höfliche Banditen, die ihr Geschäft verstanden und es kurz machten. Gil, während zwei Francisco durchsuchten, flüsterte mit den andern; offenbar teilte er ihnen mit, wer Goya war. Sie nahmen dann auch dem Herrn, der auf den Wandteppichen des Königs Szenen aus dem Leben der Räuber und Schmuggler so liebevoll dargestellt hatte, nur die Hälfte dersechshundert Realen ab, die er bei sich trug, und als sie fertig waren, forderten sie ihn auf, aus ihrer Bota zu trinken, schwenkten respektvoll die großen Hüte und wünschten höflich: »Vaya Usted con la Virgen! – Gehen Euer Gnaden mit der Jungfrau!«
    So zog Goya, ärmlich, schäbig,
    Eingesperrt in seine Taubheit,
    Auf dem Maultier Valeroso
    Durch sein unbegreiflich stummes
    Spanien, elend, doch entschlossen,
    Seine Schultern stark zu machen
    Gegen die Dämonen, die drauf
    Hockten und ihn brechen wollten.
    Reingefallen waren sie, die
    Teufel. Aufrecht gehen wird er,
    Er, Francisco Goya, Maler,
    Mann aus Aragón. Nur stärker
    Wird er werden. Wuchern wird er
    Mit dem Elend, das ihn traf, und
    Schärfer wird er sehen, wird er
    Zeichnen. Und er lachte schallend,
    Daß der Maultiertreiber Gil ver-
    Wundert und besorgt ihn ansah.
    Leicht und grimmig so zog Goya
    Von der Stadt des Südens, wo das
    Höchste Glück er und das tiefste
    Leid erfahren, nach dem Norden,
    Saragossa zu, der Stadt zu
    Seines Ausgangs.

Dritter Teil

1
    Zu jener Zeit, im letzten Lustrum des Jahrhunderts, war das Regiment der Französischen Republik dem Volke entglitten und von Geschäftsleuten übernommen worden. »Kein gefährlicheres Wesen lebt als der Geschäftsmann, der auf seinen Raub ausgeht«, hatte vor kurzem Baron Holbach, der Enzyklopädist, verkündet, und so hatten die führenden Männer der Revolution gedacht. Nun aber waren Gracchus Babeuf und seine Anhänger hingerichtet worden, weil sie eine »Gemeinschaft der Gleichen« hatten gründen und Gleichheit des Einkommens hatten herstellen wollen, und die neuen Herren Frankreichs verkündeten als ihren Wahlspruch: »Bereichert euch!«
    Auch in jenem andern Lande, welches versucht hatte, die Ideen der Aufklärung durch Revolution zu verwirklichen,

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