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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Sieg in Indien. Gegen Ende des Jahrhunderts schloß England mit beinahe ganz Europa einen Pakt, um das weitere Vordringen der Französischen Republik und die Verbreitung fortschrittlicher Ideen zu verhindern. Alles in allem war in diesem letzten Jahrfünft mehr Krieg und Gewalt in der Welt als während des ganzen Jahrhunderts, und es schrieb in diesem Jahrfünft der deutsche Philosoph Immanuel Kant seinen Entwurf »Zum ewigen Frieden«.
    In ihrem Privatleben kümmerten sich die militärischenFührer der gespaltenen Welt wenig um das Geschwätz der Massen und der Zeitungen. In jenem Jahrfünft heiratete Napoleon Bonaparte Josephine Beauharnais, und Admiral Horatio Nelson lernte Emma Hamilton kennen und lieben.
    In jenem Jahrfünft machte man sich frei von der bisherigen schweren, prunkvollen Kleidung und verwischte die Grenzen zwischen der Tracht der privilegierten und der niedrigen Stände. In Frankreich zunächst wurde unter dem Einfluß des Malers Jacques-Louis David eine einfache, antikisierende Tracht populär, La merveilleuse, auch begann man, lange Hosen zu tragen, Pantalons, und diese Kleidung verbreitete sich schnell über Europa.
    In jenem Jahrfünft baute Alessandro Volta den ersten Apparat, der dauernden elektrischen Strom gab, Priestley entdeckte das Kohlenoxyd, Stanhope erfand die eiserne Buchdruckerpresse. Doch überall hielten die Menschen zäh fest an den überkommenen Vorstellungen und Arbeitsmethoden; sie glaubten, die Finder und Verwerter vorher nicht erkannter Naturgesetze seien Sendlinge des Teufels, und sie brachen die Scholle auf die Art, wie sie sie vor Jahrtausenden gebrochen hatten. In jenem Jahrfünft veröffentlichte der Arzt Edward Jenner eine Untersuchung, welche gegen die Blattern die Einimpfung von Kuhpocken empfahl, und wurde allgemein verlacht. Nicht verlacht wurden diejenigen, die in gesegneten Quellen und Wassern badeten und sich Ansteckungen holten, und diejenigen, die, um Gesundheit zu erlangen, allerlei Heiligen wächserne Nachbildungen ihrer kranken Glieder opferten; vielmehr bestrafte die Inquisition einen jeden, der die Heilkraft solcher Mittel anzweifelte.
    In jenem Jahrfünft erkannte man überall in der Welt Shakespeare als den größten Dichter der letzten tausend Jahre. Er wurde von vielen in viele Sprachen übersetzt; August Wilhelm Schlegel schuf eine Übertragung, welche die deutsche Sprache des kommenden Jahrhunderts änderte und verschönte. In jenem Jahrfünft schrieb Goethe sein Gedicht »Hermann und Dorothea«, Schiller seine Tragödie »Wallenstein«.Alfieri schrieb seine klassizistischen Tragödien »Saul«, »Antigone« und »Der zweite Brutus«, und es starb der große Dichter farbig sinnvoller Märchenstücke Carlo Gozzi, drei Bände »Unnützliche Memoiren« hinterlassend. Jane Austen schrieb ihre nüchtern zierlichen Romane »Pride and prejudice« und »Sense and sensibility«; Coleridge veröffentlichte seine ersten Gedichte, und so tat der schwedische Dichter Tegnér. In Rußland schrieb Iwan Iwanowitsch Chemnitzer die Tragödie »Das befreite Moskau«, und Wassilij Wassiljewitsch Kapnist verhöhnte in seiner Verskomödie »Die Schikane« bitter die Käuflichkeit der Justiz. Millionen solcher, die bisher nie ein Buch in der Hand gehabt hatten, fingen an, Bücher zu lesen und sich ihrer zu erfreuen. Aber die Kirche verbot die meisten jener Werke, welche die Kenner rühmten; in Spanien wurde Übertretung dieses Verbotes mit Pranger, Auspeitschung und Gefängnis bestraft, und in der Habsburgischen Monarchie wurden hohe Beamte entlassen, denen verbotene Lektüre nachgewiesen war.
    In jenem Jahrfünft wurden in Paris unter ungeheurer Anteilnahme der Bevölkerung die Gebeine des Führers der Freidenker, die geächteten Gebeine des geächteten Voltaire, im Panthéon beigesetzt, und im gleichen Jahrfünft eröffnete im gleichen Paris Madame Marie-Anne Lenormand einen Wahrsage-Salon, der größten Zulauf hatte. Und im Wachskabinett der Madame Tussaud standen friedlich nebeneinander das Bild des Heiligen Denis, der seinen Kopf unterm Arm trug, und das Bild des Ketzers Voltaire.
    In jenem Jahrfünft wurde in der ägyptischen Stadt Rosette, dem arabischen Reschîd, ein mit Inschriften bedeckter Stein aufgefunden, der dem Forscher Champollion die Entzifferung der Hieroglyphen ermöglichte. Antoine Condorcet begründete die kollektivistisch-materialistische Geschichtsphilosophie, Pierre-Simon Laplace erklärte auf naturwissenschaftliche Art die Entstehung der

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