Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
er da, großartig anzuschauen in seiner glänzenden Uniform, und von seinem breiten, vollen, hübschen Gesicht strahlte dankbare Freude, nichts sonst. Für ein paar Sekunden glaubte María Luisa, die Gerüchte seien Lügen, jene schmachvolle Heirat habe gar nicht stattgefunden.
In der Tat hatte Manuel über dem Schwall seines Glückes Pepa und seine heimliche Ehe völlig vergessen. Dann aber, nach wenigen Augenblicken, erinnerte er sich. Carajo! dachte er, und: Carajo! stand auf seinem Gesicht zu lesen. Aber das Glücksgefühl, in dem er schwebte, schwemmte seine Bestürzung sogleich wieder weg. Die Aufgabe, seine Ehe aus der Welt zu schaffen, schien ihm leicht. Alles, was er brauchte, war ein wenig Zeit.
Nachdem er der Königin überschwenglichen Dank gesagt hatte, ihre fleischige, beringte Hand wieder und wieder mitglühenden Küssen bedeckend, bat er um die Erlaubnis, seine glückliche Verbindung mit Doña Teresa und der königlichen Familie dem Lande erst nach zwei oder drei Wochen kundzutun. Die Königin, innerlich bitter und überlegend schmunzelnd, fragte harmlos nach den Gründen des Aufschubs. Er tat geheimnisvoll. Erklärte, er habe noch gewisse politische Pläne unter Dach zu bringen, die durch seine Erhöhung behindert werden könnten.
Je länger er’s indes überdachte, so schwieriger schien es ihm, aus seiner heimlichen Ehe mit Pepa herauszukommen. Gewiß konnte er die Heirat einfach ableugnen; ein Wink an den Großinquisitor, und der Landsmann, der Padre Celestinos, verschwand in irgendeinem fernen Kloster. Was aber wird Pepa anstellen? Sie wird, wenn sie erfährt, daß ihre Verheiratung nicht stattgefunden hat, zur Heldin einer ihrer Romanzen werden. Wird sich auf große Art töten oder sonst eine ungeheure dramatische Unbesonnenheit begehen, die seine Verehelichung mit der Infantin unmöglich macht. Freilich hätte er die Mittel gehabt, auch Pepa für immer aus seiner Welt zu schaffen, aber er konnte sich ein Leben ohne Pepa nicht mehr vorstellen.
Er sah keinen Ausweg, eröffnete sich seinem Miguel.
Der hörte ihm zu, höflich teilnahmsvollen Gesichtes, aufgerührt im Innern. Manuel war mit steigendem Glück immer arroganter geworden, immer öfter behandelte er ihn wie einen Domestiken. Seine schamlose Habgier, seine wahllose Wollust, seine unbändige Eitelkeit stießen Miguel immer heftiger ab. Als Manuel ihm jetzt mit seinen neuen Nöten kam, war er versucht, ihn allein auslöffeln zu lassen, was er sich da eingebrockt hatte. Der Plan der listigen Königin ging zweifellos dahin, Manuel für immer von Pepa zu trennen. Der aber wird nicht von Pepa loskommen, Doña María Luisa wird diese ständige Bindung nicht dulden, die rachsüchtige Frau wird Manuel stürzen, wenn er, Miguel, ihm nicht half. Soll er ihm helfen? Wird es nicht eher ein Glück sein, sein wahres Glück, wenn er den Menschen und seine leere Arroganz loswird? Wenn er alle seine Zeit seinen Bildern widmen, wenn er sein großes Werk, das Künstlerlexikon, vollenden kann?
Aber da, im Geiste, sah er sich sitzen, grenzenlos einsam, inmitten seiner Bilder und Papiere, und er wußte, genauso wie dieser Manuel seiner Pepa verhaftet war, werden seine, Miguels, Gedanken für immer schmerzhaft um Lucía kreisen. Allein das erregende Spiel der großen Staatsgeschäfte vermochte ihn abzulenken, er konnte es nicht mehr entbehren, konnte nicht darauf verzichten, aus dem Schatten das Reich zu lenken. Er wird Manuel aus seinen Nöten helfen.
Er überdachte dessen Situation, entwarf einen Plan, legte ihn Manuel dar. Der griff begierig danach, umarmte seinen Miguel, war glücklich.
Wandte sich an den König. Erklärte geheimnisvoll, er sei gekommen, ihn in einer persönlichen Angelegenheit um Rat und Hilfe zu bitten, als Mann den Mann, als Caballero den Caballero. »Was ist denn los?« fragte Carlos. »Wir sind mit Frankreich fertig geworden, wir werden auch mit deinen Kavaliersnöten fertig werden.« Auf solche Art ermutigt, eröffnete ihm Manuel, er habe ein Liebesverständnis mit einer wunderbaren Frau, die freilich nicht von Adel sei, einer gewissen Señora Josefa Tudó. Diese Beziehung währe nun schon seit Jahren, und er zerbreche sich den Kopf, wie er dieser Frau die Nachricht seiner bevorstehenden Vermählung beibringen solle. Er sehe da nur einen Weg. Man müsse Señora Tudó auseinandersetzen, daß die geplante Ehe mit der Infantin auch im Dienste der Krone geschehe, damit nämlich die Person des Ersten Ministers Glanz gewinne für die
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