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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Weiberfleisches, dieser Gans und Jamona, gab er die glänzenden Titel weiter, mit denen sie, María Luisa, ihn begnadet hatte! Sie stellte sich ihn vor, wie er mit seiner Pepa im Bett lag und sich lustig machte über sie, die Alte, die Hereingelegte. Aber er sollte sich verrechnet haben, dieser Wegwurf, dieses Nichts! Es gab hundert Fälle der Unterschlagung und des Hochverrats, derenthalb man ihm den Prozeß machen konnte. Er hat skrupellos gestohlen aus dem königlichen Schatz. Hat sich von fremden Mächten bestechen lassen. Hat den Heiligen Vater verraten, den besten Alliierten. Hat mit den gottlosen Männern des Pariser Direktoriums gezettelt gegen den Katholischen König. Hat jedermann verraten, Freund und Feind, aus Habgier, aus Eitelkeit, aus verwöhnter Laune. Aber nun wird sie ihn vor Gericht stellen, vor das Gericht des Kronrats von Kastilien, wird ihn schmählich hinrichten lassen, öffentlich, und alle werden jubeln, die Prälaten, die Granden, das ganze spanische Volk. Und die Person, die Hure, wird sie mit nacktem Oberkörper durch die Stadt führen und dann auspeitschen lassen.
    Sie wußte, sie wird von alledem nichts tun.
    Sie war gescheit, sie kannte Welt und Menschen, ihren Manuel und sich selber. Sie hatte ihm dann und wann durch kluge Zurschaustellung ihres Verstandes und ihrer Macht Teilnahme und Gefühl eingeflößt; vielleicht war es ihr sogar geglückt, dieses Gefühl zeitweise in Lust und Liebe zu verwandeln. Aber wie künstlich, wie vergänglich war dergleichen! Wie lange konnte eine häßliche, alternde Frau solch einen jungen, strotzenden Burschen halten? Mit einem Maleüberkam sie das Elend, der ganze Jammer ihrer vierundvierzig Jahre. Ihr Leben war ein ständiger Kampf gewesen mit Tausenden, Zehntausenden hübscher, junger Spanierinnen. Sie konnte sich immer neue Hilfsmittel verschreiben, Kleider aus Paris, Schminken, Salben, Puder, die besten Tanzmeister und Friseure, aber vor der frischen Haut einer jeden dummen Pasquita, Consuela, Dolores wurde das alles lächerlich.
    Und doch war es besser, wie es war. Nicht mehr viele Jahre, dann wird zum Beispiel die Alba so alt sein, wie sie heute ist, und was wird sie dann sein, die Alba? Verwelkt, vertan. Sie aber, María Luisa, war durch ihre Häßlichkeit gezwungen gewesen, Verstand zu entwickeln. Sie war gescheit geworden, weil sie häßlich war, und ihre Gescheitheit dauerte fort.
    Schließlich stellte sie noch immer was vor, sie, von Gottes Gnaden Königin aller spanischen Reiche, des westlichen und östlichen Indien, der Inseln und des festen Landes im Weltmeer, Erzherzogin von Österreich, Herzogin von Burgund, Gräfin von Habsburg, Flandern und Tirol. Das Weltreich ist nicht mehr ganz jung, es beginnt alt zu werden wie sie selber, und der Bürger Truguet erfrecht sich, den Katholischen Königen Vorschriften zu machen. Aber immer noch und trotz allem ist sie die mächtigste Frau der Welt. Denn die Welt weiß, daß nicht der einfältige Carlos, sondern sie Spanien regiert und beide Indien und das Weltmeer.
    Und solch einer Frau zieht dieser Dummkopf eine Pepa Tudó vor!
    Sie musterte sich im Spiegel. Aber der Spiegel zeigte sie nur, wie sie jetzt war, in diesem vergänglichen Augenblick, da sie sich gehenließ unter dem Eindruck der frechen Nachricht. Das war nicht sie, das war nicht ihre Wahrheit.
    Sie machte sich auf, ihre Wahrheit anzuschauen. Verließ ihr Boudoir. Die Erste Hofdame, die Camarera Mayor, im Vorzimmer wartend, schickte sich an, sie zu begleiten, wie das Zeremoniell es verlangte. Ungeduldig winkte sie ab. Allein ging sie durch die weiten Säle und Korridore, vorbei an Priesternund Lakaien, vorbei an Wache haltenden Offizieren, die präsentierten, an Höflingen, die sich bis zum Boden verbeugten. Allein stand sie in dem prunkenden Empfangssaal, vor der »Familie des Carlos«.
    Die María Luisa hier auf dem Bild, das war ihre Wahrheit. Dieser Maler kannte sie, wußte um sie, vielleicht als der einzige. Wie sie hier stand im Kreise der Ihren, des regierenden Königs und der künftigen Könige und Königinnen, die Herrscherin dieses Kreises, das war ihre häßliche, stolze, imponierende Wahrheit.
    Eine solche Frau läßt sich nicht unterkriegen, weil ein Dummkopf, in den sie zufällig verliebt ist, hinter ihrem Rücken seine Hure geheiratet hat. Sie wird diesen Mann nicht bestrafen. Es ist nicht der Mühe wert, um ihn zu kämpfen, aber sie ist die Königin, sie ist es sich selber schuldig, sich zu nehmen, wonach es sie

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