Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
schwierigen Verhandlungen mit Frankreich, England und Portugal. »Nun und?« fragte Don Carlos. »Warum setzt du es ihr nicht auseinander?« – »Es müßte ihr«, erwiderte Manuel, »von einer autoritativen Stelle auseinandergesetzt werden. Nur wenn Sie selber, Sire, Señora Tudó klarmachten, daß meine Verheiratung im Interesse des Reiches stattfindet, wird sie das furchtbare Leid überstehen, das ich ihr zufüge.« Der König dachte nach. Dann, zwinkernd, schmunzelnd, fragte er: »Du meinst, ichsoll ihr klarmachen, sie soll dich drüber lassen, auch wenn du Doña Teresa heiratest?« – »Ich hab mir’s folgendermaßen gedacht«, antwortete Manuel. »Ich bitte Eure Majestät wieder einmal um die hohe Ehre, mit mir zu Abend zu essen, zwanglos, und das Abendessen findet im Hause der Señora statt. Die Gegenwart Eurer Majestät wird Señora Tudó überwältigen. Und dann richten Sie an die Señora ein paar jener leutseligen Worte, mit denen Sie Ihre Untertanen so oft zu beglücken wissen, deuten ihr aus, daß auch das Reich einen Vorteil davon hat, wenn Señora Tudó die Beziehungen zu mir nicht abbricht, und machen mich glücklich für den Rest meines Lebens.« – »Schön«, sagte nach einiger Überlegung Carlos. »An mir soll’s nicht fehlen.« Er sagte ihm zu, sich am Mittwoch um 6 Uhr 45, als einfacher General verkleidet, im Palacio Bondad Real einzustellen.
Don Manuel fragte Pepa, ob er am Mittwoch bei ihr zu Abend essen und einen Freund mitbringen dürfe. »Wen?« fragte Pepa. »Den König«, antwortete Don Manuel. Das gelassene Gesicht Pepas war starr vor Staunen. »Ja«, erklärte feierlich Don Manuel, »der König Unser Herr ist begierig, Sie kennenzulernen.« – »Du hast ihm von unserer Heirat erzählt?« fragte glücklich Pepa. Manuel wich aus. »Der König wird dir eine wichtige Eröffnung machen«, antwortete er. »Bitte, sag mir, worum es sich handelt«, verlangte Pepa. »Ich will nicht unvorbereitet sein, wenn der König mir die Ehre gibt, an meinem Tisch zu speisen.« Don Manuel aber, die Gelegenheit wahrnehmend, sagte ihr plump und bündig: »Der König wünscht aus Staatsgründen, daß ich seine Kusine heirate, Doña Teresa. Das will er dir mitteilen. Er ernennt sie zur Infantin und macht auf diese Art auch mich zum Infanten. Unsere Heirat darf also nicht stattgefunden haben.«
Als Pepa aus ihrer Ohnmacht erwachte, war er um sie bemüht, ein zärtlicher Liebhaber. Es habe sich, redete er ihr zu, herausgestellt, daß er die diplomatischen Geschäfte, welche die Krone und das Vaterland von ihm verlangten, nur durchführen könne, bekleidet mit der höchsten Autorität,der eines Mitglieds der königlichen Familie, eines Infanten. Er wisse, welch ungeheures Opfer man von ihr verlange. Darum eben würdige Don Carlos sie seiner Gegenwart. Wenn nämlich einmal der König sie kennengelernt habe, dann sei ihre Stellung in der madrilenischen Gesellschaft für immer gesichert. Auch ein großer Titel sei ihr gewiß. Er verhandle mit dem Grafen Castillofiel, einem älteren Herrn, eigentlich einem sehr alten Herrn, der, hochverschuldet, auf seinem großen Gut bei Málaga sitze. Der Graf sei bereit, Pepa zu heiraten. Er werde dann bis zu seinem baldigen Ende in Málaga leben, während sie, eine Señora de Título, ihren Wohnsitz in Madrid beibehalten werde. »Wir sind doch aber nun einmal verheiratet, du und ich«, gab Pepa zu bedenken. »Gewiß«, antwortete Manuel. »Aber ich weiß nicht, ob wir das werden beweisen können. Der einzige unverdächtige Zeuge nämlich, Padre Celestinos«, erklärte er bekümmert, »ist verschwunden. Spurlos verschwunden.«
Pepa sah ein, daß das Schicksal ihre legitime Verbindung mit Manuel nicht wollte. Sie hatte bei all ihrer Liebe fürs Poetische einen gesunden Sinn für die Wirklichkeit, und die nächtliche Trauung war ihr niemals ganz geheuer vorgekommen; sie beschloß, sich zu fügen. »Wie das Schicksal spielt!« sagte sie träumerisch. »Nun wirst du also doch noch Infant! Infant von Kastilien!« – »Es hängt einzig und allein von dir ab«, sagte galant Manuel. »Und der König wird unsere linke Verbindung durch seine Anwesenheit sanktionieren?« fragte Pepa. »Er wird dich sogar auffordern zu singen«, antwortete Manuel, »du wirst sehen.« – »Und ich werde wirklich Condesa Castillofiel werden?« versicherte sich Pepa. »Oui, Madame«, antwortete Manuel. »Aber du sagst«, fragte etwas besorgt Pepa, »der alte Graf ist sehr verschuldet?« – »Bitte, laß
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