Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Hofmalers Bayeu, welches er, Goya, gemalt und welches Josefa nach Saragossageschickt hatte, in einer schlecht belichteten Ecke hing. Goya fragte geradezu, wie der Schwager das Bild finde. Der antwortete, die Kunst, die aus dem Porträt spreche, sei groß, doch verhärteten Herzens. Er bedauerte ehrlich Franciscos Unglück, doch mengte sich in sein Bedauern eine kleine, kaum bewußte Schadenfreude, daß endlich der Hochmut des gottlosen Künstlers zu Fall gekommen sei.
Die großen Familien Saragossas, die Salvadores, die Grasas, die Aznares, warben heftig um Francisco. Der, unter höflichen Vorwänden, lehnte ihre Einladungen ab. Der Graf Fuendetodos, als Goya auch seiner zweiten Einladung nicht Folge leistete, ließ durch Martín anfragen, ob er, der Graf, ihn aufsuchen dürfe; ein Gespräch werde nicht schwerfallen, da er die Elemente der Zeichensprache erlernt habe. Die beharrliche, fast demütige Werbung rührte Goya an; er erinnerte sich, in welcher Angst und Ehrfurcht seine Familie gelebt hatte vor dem Grafen, der in ihrem Heimatdorf Fuendetodos herrschte.
Sogar der Erzpriester des Kapitels der Kathedrale del Pilar suchte ihn auf. Es war noch der gleiche Don Gilberto Alué, der sich damals in dem Streit mit Bayeu so bösartig hochfahrend gegen Francisco erklärt hatte. Nichts bewies schlagender, wie außerordentlich hoch er gestiegen war, als der Besuch dieses angesehenen, jetzt uralten Priesters. Don Gilberto war überaus höflich, mit kleinen, zierlichen Buchstaben schrieb er Francisco auf, wie tief der Erzbischof das Mißgeschick des Herrn Ersten Malers bedauere, des größten Künstlers, den Saragossa je hervorgebracht habe. Goyas Herz aber war voll von grimmiger Freude, daß nun nicht mehr der tote Bayeu der größte Künstler Aragóns war.
Dann sagte und schrieb Don Gilberto, es wäre dem Erzbischof eine besondere Freude, wenn Don Francisco gewisse Arbeiten für die Kathedrale übernehmen wollte, Arbeiten von geringem Umfang, die nicht viel Zeit beanspruchten. Und zierlich und beschwingt fügte der Erzpriester sogleich hinzu, das Domkapitel schlage ein Honorar von 25 000 Realen vor.
Einen Augenblick glaubte Goya, er habe sich verlesen oder der Erzpriester sich verschrieben. Genau 25 000 Realen hatte damals der hochberühmte Meister Antonio Velázquez gefordert für eine Arbeit von vielen Monaten, und daraufhin hatte ihm das Domkapitel den Auftrag nicht gegeben. Jetzt bot man ihm, Goya, die gleiche Summe für die Arbeit von zwei Wochen. Werde nicht übermütig, mein Herz! befahl er sich und nahm sich vor, in Demut und mit Liebe zu arbeiten und keine Zeit zu sparen.
Doch noch ehe er das fromme
Werk beginnen konnte, kam ihm
Botschaft von Madrid. In trocknen
Worten teilte Don Miguel ihm
Mit, Franciscos Sohn Mariano
Sei gestorben, und er rate
Francho, nach Madrid zurückzu-
Kommen zu Josefa.
Goya
fuhr zurück. Und diesmal nahm er
Eilpost, fuhr bequem; auch ließ er
Sich’s gefallen, daß Martín mit-
Reiste, ihn betreuend.
7
Er sah Josefa, sah sie die Lippen rühren, verstand nicht ihre Worte. Sie strengte sich an, den Schrecken zu unterdrücken über den Anblick dieses sehr andern Francho.
Der kleine Mariano war schon vor Tagen begraben. Sie sagten einander ungeschickte Worte des Trostes. Es bedurfte keiner Worte zwischen ihnen. Sie saßen lange zusammen, schweigend, und ihr Schweigen war mehr beredt, als wenn sie gesprochen hätten.
Er raffte sich auf, und mit einem etwas krampfigen Lächeln hielt er ihr das Skizzenbuch hin, das er jetzt ständig bei sich trug, damit man ihm aufschreiben könne, was man ihm mitzuteilen habe. »Wenn du mir noch was sagen willst«, erklärte er ihr, »mußt du mir’s aufschreiben. Ich verstehe schlecht, ich muß alles erraten. Ich bin nämlich wirklich stocktaub.« Sie nickte nur. Sie wollte ihn nichts fragen über das, was sich in der Zwischenzeit ereignet hatte.
Sie war noch zurückhaltender als früher, sie sperrte sich vollends zu. Trotzdem sah er sie tiefer und deutlicher. Er hatte Josefa immer als etwas Vorhandenes, Gegebenes hingenommen, an dem nicht viel zu deuteln und zu rätseln war. Er hatte sich nicht lange darüber besonnen, wie sie wohl über jenen Teil seines Lebens denken mochte, den er getrennt von ihr führte. Ein Mann seines Ranges gönnte sich nun einmal die Frauen, nach denen ihm der Sinn stand; so war es der Brauch. Josefa war da, wenn er sie nötig hatte; so hatte er’s erwartet, so wünschte er sich’s, so war es. Er seinesteils
Weitere Kostenlose Bücher