Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Franciscos Verhängnis hörte, hatte sie zuerst Befriedigung verspürt. Jetzt hatte er seine Strafe für die Mißachtung, die er ihr gezeigt hatte. Aber diese Genugtuung hielt nicht vor. Sie spürte, daß sein Unglück verknüpft war mit seiner Leidenschaft, sie beneidete ihn um seine Leidenschaft. Es kränkte sie, daß nicht sie es war, die ihm solche Leidenschaft hatte einflößen können.
Sie war gekommen, ihn spüren zu machen, daß Vergeltung ist im Himmel und auf Erden. Doch sie sah ihn, sah den neuen, andern Francisco, sie war erschüttert, ihre alte Neigungdrängte hervor. Sie begnügte sich, ihm deutlich zu machen, wie herrlich weit sie es gebracht hatte. »Ich bin schwanger«, erzählte sie ihm stolz und vertraulich. »Ich werde einen Conde Castillofiel zum Sohn haben, in legitimer Ehe geboren.« Er merkte, wie sie sich anstrengte, ihm und sich selber zu beweisen, daß sie nicht nur im Glanz sei, sondern auch im Glück. Dabei war sie es doch nicht, sie litt an ihm, wie er an der Alba litt, und er verspürte für sie die alte, gutmütige, leicht mitleidige, bequeme Zärtlichkeit.
Sie sprachen wie altvertraute Freunde, die vieles um einander wissen, von dem keiner sonst weiß. Sie schaute ihn mit ihren schamlosen, grünen Augen an, er konnte ihr leicht die Worte vom Mund ablesen. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß ihm die Verständigung nur mit Gleichgültigen schwerfiel; die Menschen, an denen ihm lag, und übrigens auch diejenigen, die er haßte, verstand er ohne Mühe.
»Betrügt Conchita noch immer beim Kartenspiel?« sagte er, und: »Wenn ich darf, dann komme ich nächstens einmal zu dir zum Abendessen und trinke Manzanilla.« Sie konnte sich nicht enthalten, sich zu brüsten. »Du mußt dich aber vorher anmelden«, sagte sie, »sonst ist es möglich, daß du Don Carlos bei mir triffst.« – »Welchen Don Carlos?« fragte er. »Don Carlos, König aller spanischen Reiche und beider Indien«, erwiderte sie. »Carajo!« sagte er. »Fluche nicht«, wies sie ihn zurecht, »und schon gar nicht in Gegenwart einer Dame, die bald einen kleinen Grafen zur Welt bringen wird.« Und dann erzählte sie weiter von Carlos. »Er kommt als einfacher General«, berichtete sie, »und er will von mir nicht das, was du denkst. Er zeigt mir seine Uhren, läßt mich seinen Bizeps fühlen, wir essen unsere Olla podrida, er spielt mir auf seiner Geige vor, und ich singe ihm ein paar Romanzen.«
»Nun mußt du aber auch mir ein paar Romanzen singen«, verlangte er. Und da sie verwirrt dreinblickte und sichtlich nicht wußte, was sie aus seinen Worten machen sollte, sagte er mit grimmiger Lustigkeit: »Du hast recht, ich bin stocktaub, aber ich höre immer noch besser als die meisten andern.
Sing schon!« sagte er, verbissen,
»Ich begleite dich.« So taten
Sie. Sie sang, er spielte, und es
War, wie’s in Romanzen zuging,
Traurig, wild und süß, und manchmal
Gingen seine Weise und ihr
Ton sogar zusammen.
8
Martín Zapater blieb länger in Madrid, als ursprünglich vorgesehen war, angeblich hatte er Geschäfte. In Wahrheit widmete er seine ganze Zeit dem Freund. Er achtete darauf, daß dieser nicht allein auf die Straße gehe; denn er fürchtete, es möchte dem Tauben ein Unfall widerfahren. Francisco haßte jede Art von Behütung; Martín indes richtete es mit viel Schlauheit so ein, daß Goya, ohne es zu merken, immer beaufsichtigt blieb.
Franciscos Aufträge häuften sich wie nie zuvor, und Martín schaffte ihm immer neue, damit er nicht den Eindruck habe, sein Leiden halte ihm die Menschen ferne. Goya nahm wenig Arbeit an, vertröstete die meisten Besteller auf später.
Martín suchte alles zu ermitteln, was für Goya von Interesse sein konnte. Auch über Cayetana brachte er einiges in Erfahrung. Die Herzogin von Alba, konnte er Francisco berichten, hatte um Erlaubnis gebeten, ins Ausland zu reisen, zu italienischen Verwandten, und sie werde wohl nicht nach Spanien zurückkehren, bevor ihre Verbannung vom Hofe aufgehoben sei. »Wo immer sie ist«, meinte Francisco, »sie wird sich um einen Krüppel nicht viel scheren.«
Der Aufenthalt in der oft und jäh wechselnden Luft von Madrid strengte Zapater sichtlich an. Er sah schlecht aus, er hustete viel und war froh, daß Francisco nicht hören konnte, wie übel sein Husten klang.
Schließlich kündigte er an, er werde zurückkehren. Die Freunde verabschiedeten sich lärmend, wie das ihre Art war. Bemühten sich, kein Gefühl zu zeigen, schlugen sich derb auf
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