Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
und Goya ihre Freundschaft bezeigen wollten, sondern alle jene, die in Madrid als fortschrittlich galten.
Da also hing das Bild, um welches soviel Ruhm und Gewese und lächelndes Gewisper war, und den meisten, die es zum ersten Male sahen, stockte der Atem.
Und nun, geführt von dem Präsidenten des Komitees der Akademie, dem Marqués de Santa Cruz, trat Goya inmitten der gespannten, verehrungsvollen Menge vor sein Werk. Ein gedrungener Herr, etwas zu knapp angezogen, älter als seine Jahre, die Augen verkniffen, die Unterlippe vorgeschoben, so stand er und beschaute seine Bourbonen, und hinter ihm waren die Hofleute und Bürger und Künstler der Stadt Madrid. Und wie sie ihn vor seinem Bilde sahen, da, mit einem, brach ungeheurer Beifall los. »Es lebe Spanien!« riefen sie und: »Es lebe Francisco Goya!« und: »Viva!« und: »Olé!«, und sie klatschten gewaltig in die Hände. Goya aber merkte nichts davon. Der Marqués de Santa Cruz zupfte ihn am Ärmel unddrehte ihn mit sanfter Bewegung den andern zu, und da sah Francisco, was geschah, und verneigte sich ernsthaft.
Der Großinquisitor Don Ramón de Reynoso y Arce beschaute sich das Bild, es war ihm als dreiste Herausforderung des Gottesgnadentums bezeichnet worden.
Und er fand, was seine Leute
Ihm gesagt, nicht übertrieben.
»Wäre ich der König Carlos«,
Sprach er auf lateinisch, »hätt ich
Diesen Goya nicht zum Ersten
Maler mir bestellt, ich hätte
Von dem Heiligen Offizium
Ein Gutachten eingefordert,
Ob hier kein Verbrechen vorliegt
Laesae majestatis.«
10
Don Manuel hatte gut gerechnet, als er dem König vorschlug, den liberalen Urquijo zum Ersten Staatssekretär zu machen und den reaktionären, ultramontanen Caballero zum Justizminister. Aber eines hatte er nicht bedacht: daß nämlich Don Mariano Luis de Urquijo mehr war als ein eigennütziger Politiker, daß ihm die fortschrittlichen Ideen, zu denen er sich bekannte, mehr waren als das beliebte Thema einer modischen Salonunterhaltung. Wohl bekämpften die beiden Minister einander und versuchten, einer des andern Maßnahmen zu durchkreuzen, wie es Don Manuel erwartet hatte. Aber Urquijo bewährte sich als glühender Patriot und als ein Staatsmann von Format, dem der schlaue, selbstsüchtige, bornierte Caballero keineswegs gewachsen war. Den Treibereien Caballeros zum Trotz gelang es Urquijo, den Einfluß Roms auf die spanische Kirche zu mindern und die spanischenUltramontanen zu zwingen, Gelder, die bisher nach Rom gegangen waren, an die Krone abzuführen; auch glückte es ihm, die Gerichtsbarkeit der Inquisition einzuschränken. Vor allem aber in seiner Außenpolitik hatte Urquijo Erfolg. Nicht nur vermied er es, der Französischen Republik die Konzessionen zu machen, die Don Manuel für unabwendbar gehalten hatte, er wußte auch durch geschmeidigen Wechsel zwischen kluger Nachgiebigkeit im Kleinen und höflichem Widerstand im Großen die Stellung der spanischen Krone gegenüber dem mächtigen, siegreichen und schwierigen Alliierten zu stärken.
Don Manuel war enttäuscht. Keineswegs streckte Doña María Luisa hilfeflehende Arme nach ihm aus, vielmehr schaute sie nach wie vor frostig über ihn hinweg und überhäufte statt seiner den neuen Ministerpräsidenten mit Beweisen ihrer Zufriedenheit und Gnade.
Don Manuel hielt vor der Welt gute Freundschaft mit Urquijo, zettelte aber hundert Intrigen an, um seine Politik zu durchkreuzen. Kam, wo er konnte, dem bigotten Caballero zu Hilfe, ermutigte die Ultramontanen, auf den Kanzeln und in der Presse Geschrei zu erheben gegen den gottlosen Ministerpräsidenten, bewirkte, daß der Rat von Kastilien bei König Carlos vorstellig wurde wegen der Laxheit, mit der unter Urquijo die Zensur gehandhabt werde.
Vor allem aber die Außenpolitik Urquijos suchte Don Manuel zu behindern. Die Pariser Machthaber fanden in dem neuen Ersten Staatssekretär einen unerwartet klugen, zielbewußten Gegner und arbeiteten in Madrid auf seinen Sturz hin. Manuel brachte sich in Paris in empfehlende Erinnerung und lieferte dem Direktorium den gewünschten guten Vorwand, die Abberufung zu verlangen.
König Carlos’ Bruder nämlich, Ferdinand von Neapel, war, zur heimlichen Freude Carlos’, der Koalition gegen Frankreich beigetreten und in einem schnellen Feldzuge besiegt und abgesetzt worden. Nun riet Manuel dem Monarchen, die Krone von Neapel für seinen zweiten Sohn zu verlangen. Daswar eine dreiste Forderung; denn König Carlos hätte, als Alliierter Frankreichs,
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