Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Bergen sitzenbleiben sollte, zum Müßiggang verurteilt in einer Zeit spanischen Elends, bloß weil er, Francisco, eine Frau festhielt, an der ihm nicht viel lag, eine Jamona.
Zunächst einmal wird er selber vorstoßen und mit der Angelegenheit Jovellanos kommen. Don Manuel wird ein Gesicht machen; aber wer sauren Wein anbietet, darf sich nicht wundern, wenn man ihm sauren Wein zu trinken gibt, wie es im Sprichwort hieß. Schwerlich wird, wie jetzt die Dinge liegen, Don Manuel nein sagen können, und dann wird er, Francisco, weitersehen.
Ohne sich zu dem Thema Pepa Tudó zu äußern, immer arbeitend, sagte er also nach einer Weile: »Das Land wird Ihnen dankbar sein, Don Manuel, wenn Sie den Frieden bringen. Madrid wird ausschauen wie früher, und das Herz wird einemwarm werden, wenn man wieder die Gesichter zu sehen bekommt, die man so lange vermißt hat.« Don Manuel, wie es Francisco erwartet hatte, war erstaunt. »Vermißt?« fragte er zurück. »Sie glauben ernstlich, Don Francisco, Madrid hat die paar allzu eifrigen Fortschrittler vermißt, die wir haben bitten müssen, Landaufenthalt zu nehmen?« – »Es fehlt einem was«, antwortete Goya, »wenn gewisse Leute nicht da sind. Sehen Sie, Exzellenz, meine Bilder verlören ihr halbes Leben mit gewissen winzigen Lichtern. So fehlt was an Madrid, wenn zum Beispiel, sagen wir, Graf Cabarrús oder Señor de Jovellanos nicht da sind.« Don Manuel fuhr ärgerlich hoch. Aber: »Bitte, Exzellenz, halten Sie den Kopf ruhig«, befahl furchtlos Goya.
Don Manuel gehorchte. »Wenn unser Freund Miguel derlei Dinge äußerte«, sagte er dann, »würde es mich nicht wundern. In Ihrem Munde klingen sie überraschend.« Goya malte. »Es sind Gedanken«, meinte er leichthin, »die mir kamen, als Sie mich der Ehre würdigten, Ihrem Gespräch mit Don Miguel beizuwohnen. Ich bitte um Entschuldigung, Don Manuel, wenn ich zu kühn war; ich hatte das Gefühl, ich dürfte mir vor Ihnen Offenheit erlauben.«
Der Herzog mittlerweile hatte begriffen, wie der Handel ging. »Ich höre immer gern eine offene Meinung«, sagte er liebenswürdig, ein wenig herablassend. »Ich werde Ihre Anregung in wohlwollende Erwägung ziehen.« Und dann, ohne Übergang, sehr viel lebhafter, fuhr er fort: »Um auf jene Dame zurückzukommen, von deren geglücktem Porträt wir soeben sprachen, wissen Sie zufällig, ob sie noch hier in Madrid ist? Sind Sie ihr in der letzten Zeit begegnet?«
Es amüsierte Goya, welch ungeschickte Umwege zu machen der Herzog sich bemüßigt fühlte. Es wurde über das, was einer tat und ließ, in den Akten der Polizei so genau Buch geführt wie in den Registern der Santa Casa, der Inquisition, und Don Manuel wußte natürlich Bescheid über alles, was Pepa Tudó anging und ihre Beziehungen zu ihm, Francisco. Wahrscheinlich hatte er auch mit Miguel darüber gesprochen. Don Francisco blieb zurückhaltend. »Gewiß, DonManuel«, antwortete er ziemlich kühl, »ich sehe die Dame zuweilen.«
Dem Herzog blieb nichts übrig als klare Sprache. Er hielt den Kopf brav in der Richtung, in welcher Goya ihn wünschte, und sagte beiläufig: »Es wäre nett von Ihnen, Don Francisco, wenn Sie mir die Bekanntschaft der Dame vermittelten. Vielleicht auch sagen Sie ihr, daß ich nicht so wahllos gierig bin, wie feindliche Gerüchte mich hinstellen, sondern ein heißes und zuverlässiges Herz habe für das wahrhaft Schöne. Das Porträt der Señora ist das einer intelligenten Frau. Ohne Zweifel kann man mit ihr reden. Die meisten Frauen können nichts als sich hinlegen, und wenn man das dritte Mal mit ihnen zusammen war, weiß man nichts mehr mit ihnen anzufangen. Hab ich nicht recht?« In seinem Innern dachte Goya etwas ungeheuer Obszönes. Laut sagte er: »Ja, Exzellenz, philosophieren kann man nur mit wenigen Frauen.« Jetzt wurde Don Manuel vollends offen. »Wie wäre es«, legte er Francisco nahe, »wenn wir einmal einen vergnügten und vernünftigen Abend zusammen verbrächten, Sie, die liebenswürdige Viudita und einige andere Freunde, mit denen zu essen, zu trinken, zu schwatzen und zu singen sich lohnt? Wenn ich nicht irre, kennt auch unsere Doña Lucía die Viudita. Aber Voraussetzung bleibt, daß Sie einer solchen Tertulia beiwohnen, mein lieber Don Francisco.«
Klarer konnte der Handel nicht sein: Don Manuel war bereit, über Jovellanos mit sich reden zu lassen, wenn Goya mit sich reden ließ über die Viudita. Im Geiste sah Francisco die Pepa, wie sie lässig, üppig und begehrlich
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