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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dreißig bis vierzig Frauen aller Stände und Klassen mit ihren Bittgesuchen eingefunden haben. Die Erledigung dieser Bittgesuche nimmt ihn länger als zwei Stunden in Anspruch. Für zehn Uhr nachts pflegt er seine Herren zu bestellen, mit ihnen geht er dann an die eigentliche Arbeit. Im allgemeinen hat er dafür nur diese zwei Nachtstunden. Doch hält er darauf, daß die laufenden Geschäfte rasch und pünktlich erledigt werden. Briefe, die keine längere Bedenkzeit erfordern, beantwortet er fast immer am gleichen Tag. Seine Auffassung ist schnell und richtig, und wenn er die Geschäfte bald satt zu haben pflegt, so gleicht er durch die Sicherheit des Urteils die Schäden aus, die aus der Kürze seiner Arbeit entstehen könnten.
    Alles in allem versieht er trotz seiner Jugend sein schwieriges Amt nicht schlecht, und es stünde gut um Europa, wenn alle Staaten an der verantwortlichsten Stelle solche Beamte hätten.«
9
    Die Gesellschaft für Don Manuel und die Viudita Josefa Tudó fand bei Doña Lucía Bermúdez statt.
    Das Haus des Señor Bermúdez war groß und weit; und eswar vollgestopft mit Kunstgegenständen. Die Wände hinauf und hinunter, dicht aneinander, hingen Gemälde, alte und neue, große und kleine, in verwirrender Fülle, gleich einem Teppich.
    Hier also empfing Doña Lucía ihre Gäste, auf ihrer Estrade sitzend, unter einem hohen Baldachin, nach altspanischer Art. Sie war ganz in Schwarz, und gleich dem Kopf einer Eidechse, zierlich und maskenhaft, äugte ihr Gesicht unter dem hohen Kamm hervor. So also saß sie, schmal und gehalten, doch spitzbübisch erregt, sich freuend der Dinge, die da kommen sollten.
    Don Manuel erschien früh. Er war sorglich angezogen, elegant und nicht übertrieben. Er war ohne Perücke, er hatte das rotblonde Haar nicht einmal gepudert. Von seinen vielen Orden trug er nur das Goldene Vlies. Auf seinem weiten Gesicht lag nichts von der gewohnten Blasiertheit. Er bemühte sich, mit der Hausfrau galante Konversation zu machen, aber er war nicht recht bei der Sache, er wartete.
    Der Abate stand vor Goyas Porträt der Doña Lucía. Zuerst hatte Miguel dem Bilde einen gesonderten Platz geben wollen, aber dann fand er, daß seine Eigenart noch mehr herausstach, wenn es von andern Kostbarkeiten umringt war. Da hing es also unter den vielen andern Gemälden des Raumes. Don Diego merkte, daß er nicht länger stumm davor verharren könne. Vielwortig, seine Rede mit lateinischen und französischen Zitaten schmückend, rühmte er die Neuartigkeit und Vorzüglichkeit des Werkes, und es klang wie eine Liebeserklärung an Doña Lucía. Mit geteilter Freude hörte Don Miguel die Lobpreisung der lebendigen und der gemalten Lucía; dabei mußte er zugeben, daß Don Diego das Werk und seine neue Tönung vielleicht noch kennerhafter rühmte, als er selber es hätte tun können.
    Pepa kam. Sie trug ein grünes Kleid mit hellem SpitzenÜberwurf und als einzigen Schmuck ein edelsteinbesetztes Kreuz, ein Geschenk des Admirals. So hatte Goya sie gesehen, als ihm Don Manuel seinen unverschämten Vorschlagmachte, so hatte er sie malen wollen mit seiner neuen Kunst. Sie entschuldigte sich gelassen, daß sie so spät komme; ihre Dueña habe Mühe gehabt, eine Sänfte zu finden. Goya bewunderte ihre dreiste Gelassenheit. Es war zwischen ihnen nur in leisen Andeutungen die Rede gewesen von dem, was heute abend vor sich gehen sollte. Er hatte erwartet, er hatte gehofft, sie werde ihn mit Klagen und Verwünschungen überschütten. Nichts dergleichen war erfolgt, nur leise, spöttische, vieldeutige Sätze. Wie sie sich jetzt hatte, das war natürlich einstudiert und voll Absicht. Sie kam mit Absicht zu spät, sie zeigte mit Absicht die Dürftigkeit ihrer Verhältnisse. Sie wollte ihn beschämen vor dem Herzog, daß er sie kärglich halte. Dabei hätte sie nur den Mund auftun müssen, dann hätte er ihr mehr Bedienung gestellt, freilich grollend. Es war niederträchtig.
    Don Manuel hatte wohl kaum gehört, was sie sagte. Er hatte sie angestarrt, unziemlich, doch voll einer Verehrung, deren ihn die andern nie für fähig gehalten hätten. Als Doña Lucía ihn endlich vorstellte, neigte er sich tiefer, als er sich je vor der Königin oder den Infantinnen geneigt hatte. Ungehemmt sprach er ihr davon, wie sehr Goyas Bild ihn vom ersten Augenblick an begeistert habe, und wie weit in diesem besonderen Fall das Porträt auch eines so großen Meisters hinter der Wirklichkeit zurückbleibe. Sein Blick war Hingabe

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