Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
und Dienstbereitschaft.
Pepa war übertriebene Huldigungen gewöhnt: darin waren sich alle Spanier gleich, madrilenische Majos, Hidalgos aus den Provinzen, Granden des Hofes. Aber sie hatte Sinn für Nuancen, sie erkannte rasch, daß dieser große Herr ihr tiefer verfallen war als der Admiral Mazarredo, dessen Rückkehr bevorstand, und vielleicht sogar tiefer als ihr in Gott und der See ruhender Mann, der Marineleutnant Tudó. Wenn Francisco sie verriet und verkaufte, dann sollte er sehen, daß er etwas Kostbares aufgab, und sie beschloß, sich sehr teuer zu machen. Ihr breiter Mund mit den großen, strahlend weißen Zähnen lächelte freundlich und unverbindlich, ihr Fächerlehnte zwar nicht ab, doch lud er nicht ein, und sie sah vergnügt, daß Francisco herüberschaute, die Bewerbungen Don Manuels mit widerwilligem Interesse verfolgend.
Der Page meldete, der Tisch sei bereit. Man ging ins Speisezimmer. Auch hier waren die Wände hinauf und hinunter bedeckt mit Gemälden, mit Stilleben und Küchenstücken flämischer, französischer, spanischer Meister. Da waren Männer, geschäftig um einen Herd, gemalt von Velázquez, da war eine Hochzeit von Kana des Van Dyck, da war Geflügel, Wild, Fische und Früchte, so saftig gemalt, daß dem Beschauer das Wasser im Munde zusammenlief. Die Tafel selber war erlesen, doch nicht zu üppig bestellt; es gab Salate, Fische, Kuchen und Süßigkeiten, Malaga und Jerez, Punsch und gesüßtes Eiswasser. Keine Bedienten waren anwesend, nur der Page; die Männer bedienten die Frauen.
Don Manuel war eifrig bemüht um Pepa. Sie sei voll von jener heitern Ruhe, versicherte er ihr, welche Franciscos Porträt ausstrahle. Nicht aber habe er geahnt, wieviel Erregendes in ihrer Ruhe verborgen sei. Wie sei sie in all ihrer Gelassenheit aufrührend, émouvante, bouleversante. Ob sie französisch spreche? »Un peu«, antwortete sie mit schwerem Akzent. Das habe er erwartet, daß sie gebildeter sei als die andern madrilenischen Frauen. Den andern, den Damen des Hofes und all den Petimetras und Majas, könne man nur leere Galanterien sagen, mit ihr könne man über die Dinge des Lebens und des Geistes reden. Sie aß und trank und hörte zu; durch die Spitzen des Handschuhs schimmerte zart und weiß das Fleisch ihres Armes.
Später, durch ihren Fächer, ließ sie ihn wissen, daß er ihr nicht unwillkommen sei. Stürmisch daraufhin erklärte Don Manuel, Goya müsse ein weiteres Bild von ihr malen; so wie sie dasitze, müsse er sie malen, alle seine Kraft müsse er zusammennehmen; für ihn, für Manuel, müsse er sie malen.
Ihn, Goya, hatte Doña Lucía in ein Gespräch gezogen. Sie saß da, still, überlegen, und schaute hinüber zu Don Manuel, der sich um Pepa abmühte. Aus der Art, wie er sie anschaute,wie er sich über sie neigte, mußte jetzt ein jeder erkennen, in welche Leidenschaft er sich verstrickt hatte, und Doña Lucía genoß den Anblick.
Sehr beiläufig, an ihrem Eisgetränk nippend, sagte sie: »Ich freue mich, daß sich unsere Pepa unterhält. Das arme Kind. Eine so junge Witwe, und obendrein ohne Eltern. Sie hat die Auf- und Abschwünge ihres Schicksals mit bewundernswerter Ruhe ertragen, finden Sie nicht?« Und, immer hinüberblickend zu Don Manuel, fuhr sie fort: »Wie merkwürdig, Don Francisco, daß es im Grunde Ihr Bild war, welches Don Manuels Anteilnahme an unserer armen Pepa erregte. Sie machen Schicksale, Don Francisco. Mit Ihren Bildern, meine ich.«
Goya hatte geglaubt, er wisse mehr um Frauen als alle andern Männer, die er kannte. Aber da saß nun diese Lucía, lieblich, dünn, lang, maskenhaft, damenhaft und verrucht, und trieb ihr freches Gespött mit ihm. Im Ohr klangen ihm die unverschämten, schreienden Sätze, mit denen damals die Mandelverkäuferin des Prado, diese Avellanera, dieses Lausemädchen, die andern ihres Gelichters auf ihn gehetzt hatte, und er kam sich dumm vor. Er wußte nicht einmal, wieweit Pepa mit dem Hintergrund der ganzen Angelegenheit vertraut war, ob sich nicht Lucía und sie gemeinsam über ihn lustig machten. Ein tiefer Groll packte ihn, doch er bezwang sich, antwortete einsilbig, gab sich blöde und erwiderte stumpfen Auges die Blicke ihrer schleierigen, weit auseinanderstehenden Augen. »Sie sind heute noch stacheliger als sonst, Don Francisco«, sagte sie freundlich. »Freuen Sie sich denn gar nicht über Pepas Glück?«
Er war froh, als der Abate zu ihnen trat, so daß er Gelegenheit hatte, aus dem unerquicklichen Gespräch zu
Weitere Kostenlose Bücher