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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Unterschriften und Kommentare auszudenken? Spielte er nun doch mit der Idee, die Caprichos zu veröffentlichen?
    Je länger Miguel darüber nachdachte, so tiefer drückte ihn die Sorge. Fraglos hatte der geniale Dummkopf Goya sich anstecken lassen von dem törichten Fanatismus Quintanas. Miguel grübelte und grübelte, wie er es anstellen sollte, den Freund von einer verderblichen Unüberlegtheit zurückzuhalten.
    Es gab eine einzige, die da helfen konnte: Lucía.
    Miguels Beziehungen zu Lucía waren nach wie vor zwielichtig. Als er ihr mitgeteilt hatte, er habe seine Entlassung gefordert, da er Don Manuels verderbliche Politik nicht länger mitmachen könne, hatte Lucía ihm Trost zugesprochen, verständig, höflich, ohne Wärme. Wahrscheinlich war sie von Pepa, vielleicht von Manuel selber schon unterrichtet gewesen.
    Lucía bedauerte ehrlich den Zwist Miguels mit Manuel, an dem sie die Schuld trug. Sie plante, die beiden auszusöhnen. Aber erst in späterer Zeit. Denn für die nächsten Monate hatte Manuel einen erfahrenen, patriotischen und verlässigen Ratgeber: den Abate.
    Ja, der Pakt des Großinquisitors mit dem Ersten Minister war eingehalten, der Abate aus dem Kloster entlassen worden. Nicht als ob das Heilige Offizium das Urteil außer Kraft gesetzt hätte, aber die Familiares der Inquisition sahen ihn nicht, die Grünen Boten der Santa gingen an ihm vorbei,und wenn er’s auch nicht wagen durfte, sich im Bereich der Königlichen Residenzen zu zeigen, so hatte ihm doch Manuel versichert, er könne, solange der Hof nicht in Madrid sei, heimlich in die Hauptstadt kommen. Gerade jetzt, da Manuel seines Miguel beraubt war, brauchte er einen Mann von den Fähigkeiten des Abate.
    Miguel wußte natürlich um alle diese Dinge Bescheid. Er litt tief darunter, daß Lucía und Manuel ihn ausgeschaltet und durch den Abate ersetzt hatten.
    Jetzt, in der Sorge um Goya, hatte er den willkommenen Vorwand, mit Lucía ein vertrauliches Gespräch zu führen. Nachdem er ihr die Neuheit und erschütternde Herrlichkeit der Caprichos sachkundig gerühmt hatte, berichtete er ihr von dem wahnsinnigen Vorhaben Goyas, die Blätter zu veröffentlichen, und er klagte in beredten Worten über die Dummheit der Menschen, besonders der gescheiten. Lucía stimmte eifrig zu. Schließlich, auf seine Bitte, versprach sie, sie werde versuchen, Goya von seiner Narrheit abzubringen.
    Sie ging zu ihm. »Ich höre«, sagte sie, »Sie haben eine Reihe sehr besonderer Radierungen gemacht. Es ist unfreundlich von Ihnen, sie einer alten Freundin vorzuenthalten.« Goya war empört über Miguels Schwäche und Schwatzhaftigkeit. Aber hatte nicht er selber gegen seine bessere Überzeugung Cayetana die Radierungen gezeigt?
    Lucía fragte ihn geradezu, wann sie die Caprichos sehen könne. Sie werde übrigens nicht allein kommen, sie werde einen gemeinsamen Freund mitbringen. Goya fragte argwöhnisch: »Wen?« Er dachte, es werde Pepa sein, und ihr wollte er die Caprichos nicht zeigen. Lucía aber sagte: »Ich möchte Ihre neuen Radierungen zusammen mit dem Abate anschauen.« Goya, töricht vor Erstaunen, fragte: »Ist Don Diego hier? Ist denn das –?« – »Nein«, antwortete Lucía »es ist nicht erlaubt. Aber er ist hier.«
    Goya war bestürzt. Wenn er einen verurteilten Ketzer, dessen Autodafé er selber beigewohnt hatte, seine Schwelle überschreiten ließ, war das nicht frechste Herausforderungdes Heiligen Offiziums? Lucía sah seine Verwirrung. Ihre schmalen, schrägen Augen schauten ihm gerade ins Gesicht, ein kleines, tiefes, sehr spöttisches Lächeln war um ihre langen Lippen. »Halten Sie mich für eine Spionin der Inquisition?« fragte sie.
    In der Tat hatte Goya einen Augenblick lang geargwöhnt, sie wolle ihn der Inquisition in die Hände spielen. Hatte sie nicht aus einer unseligen Laune heraus den Jovellanos ins Elend getrieben? Aber das war natürlich Unsinn. Auch sein Zögern, den Abate zu sehen, war Unsinn. Wenn sich dieser in Madrid zeigen konnte, ohne verhaftet zu werden, dann wird man schwerlich ihm, Francisco, was anhaben, wenn er ihn nicht von der Tür wies. So ging es ihm immer mit Lucía: gerade in ihrer Gegenwart hatte er seine kleinen, lächerlichen Augenblicke; das war so gewesen seit ihrem ersten Zusammentreffen im Prado. Und jetzt wieder mußte er, der seine eigene und die große spanische Angst überwunden und die Caprichos gemacht hatte, sich von ihr überraschen lassen bei einer Anwandlung von Feigheit, einer winzigen,

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