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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Allein die Glut, die in Velázquez,
    Die in Murillo brannte, sie glüht weiter.
    Sie glüht in unserm Goya!
    Vor seiner zauberischen Phantasie
    Verdunkelt sich, verarmt die Wirklichkeit.
    Ein Tag wird kommen, er kommt bald! da sich
    Vor deinem Namen, Goya! neigen wird
    Der Erdkreis, so wie heut vor Raphaels.
    Aus allen Ländern werden sie nach Spanien
    Wallfahrten, werden in Verzückung stehn
    Vor deiner Kunst,
    Francisco Goya! Spaniens Ruhm!«
    Lächelnd und gerührt schauten die andern auf Goya, der selber lächelte, ein bißchen verlegen, doch bewegt auch er.
    »Sí, vendrá un día,
    Vendrá también, oh, Goya! en que a tu nombre
    El extranjero extático se incline«,
    wiederholte er Quintanas Verse, und alle waren erstaunt, wie gut er sie verstanden hatte. Quintana errötete tiefer. »Ein wenig überschwenglich, finden Sie nicht selber?« fragte lächelnd Goya. »Wenn Sie gedichtet hätten, ich sei besser als der Kollege Jacques-Louis David, das wäre auch schon was gewesen. Aber gleich besser als Raphael, ist das nicht etwas übertrieben?«
    Allein: »Auch das höchste Wort des Preises«, antwortete stürmisch Quintana, »ist zu schwach für den Mann, der diese Zeichnungen geschaffen hat!«
    Goya wußte, wie kindlich naiv Quintana war und wie kindlich naiv seine Verse, und er brauchte keine Bestätigung dafür, daß seit dem Velázquez er der größte Maler Spaniens war, und was war das schon? Trotzdem war eine Welle Glück in ihm hochgestiegen. So stolze, hymnische Verse also hatte dieser junge Mensch geschrieben vor seinen »brutalen, barbarischen, geschmacklosen« Blättern. Und das, noch als sie ungeordnet waren und schwer verständlich.
    Es drängte Goya, den Freunden die Caprichos zu zeigen, wie sie jetzt ausschauten, und er sagte, möglichst beiläufig: »Wollt ihr die Zeichnungen nochmals sehen? Ich habe sie nämlich in die rechte Folge gebracht, und ich hab ihnen Unterschriftengegeben. Übrigens habe ich auch einen Kommentar geschrieben«, setzte er pfiffig hinzu, »für die Dummen, die eine Erklärung nötig haben.«
    Die andern hatten all die Zeit her darauf gebrannt, die Blätter nochmals zu sehen, sie hatten nur nicht gewagt, den sonderbaren Mann darum zu bitten. Ein zweites Mal, als nun die Welt der Caprichos vor ihnen aufstieg, überwältigte sie der Anblick. Ja, die Folge, in welche Goya jetzt die Blätter gebracht hatte, gab ihnen erst den rechten Sinn. Sogar der nüchterne Miguel sagte, beinahe ehrfürchtig: »Was du da gemacht hast, Francisco, das ist dein bestes, größtes Porträt. Nun hast du das Gesicht ganz Spaniens gemacht.«
    Der junge Quintana sagte: »Ich bin gewiß ein Freigeist, aber von jetzt an werde ich Hexen und Dämonen in jedem Winkel erblicken.« Und Agustín meinte finster und anzüglich: »Und da gibt es Leute, die den Jacques-Louis David für einen Künstler halten!«
    Sie waren beim letzten Blatt angelangt, bei der Radierung mit den flüchtenden, schreienden, mönchischen Unholden. »Ya es hora!« rief Quintana. »Cierra, España! – Jetzt los, Spanien!« rief er strahlend und begeistert den alten Schlachtruf.
    Miguel aber meinte nachdenklich: »Die Unterschriften sind merkwürdig, manche sind ausgezeichnet. Sie sollen, wenn ich sie recht verstehe, den Inhalt harmlos erscheinen lassen. Aber oft machen sie ihn nur schärfer.« – »Tun sie das?« fragte mit verschmitztem Erstaunen Goya. Und: »Ich weiß natürlich«, fuhr er fort, »daß mein ungelenkes Spanisch nicht ausreicht, das wiederzugeben, was mir vorschwebt. Ich wäre dir für Ratschläge sehr dankbar, Miguel, auch Ihnen, Don José, und dir, Agustín.«
    Es ehrte und ergötzte die Freunde, Goya bei dem großen Werke zu dienen. Miguel hatte eine passende Unterschrift gleich zur Hand für die Zeichnung des uralten Geizhalses, der seine Schätze versteckt, das Cervanteszitat: »Ein jeder ist so, wie Gott ihn gemacht hat, und gewöhnlich weit schlechter.« Auch die andern hatten Einfälle. Sie begriffen, woraufes Francisco ankam; die Unterschriften sollten volkstümlich sein, scharf und saftig. »Das Ungeschliffene muß bleiben«, erklärte Miguel. »Gewiß«, sagte Francisco, »denn so bin ich nun einmal.« Alle arbeiteten sie zusammen, mit gutem Eifer, es kam eine ganze Reihe neuer Unterschriften und Kommentare zustande, die Ermita war voll von Spaß und Gelächter.
    Miguel indes, inmitten all der Fröhlichkeit, war beunruhigt. Warum wohl hatte sich Francisco, der schwer von Wort war, die Mühe gemacht, all diese

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