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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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in allen Salons zu glänzen und in jeder Aktion seine Hand zu haben gewohnt gewesen war, lebend nun von dem Mitleid und der Gnade der Frau, um derentwillen er die Vernichtung auf sich genommen hatte. Ein Toter saß vor ihm, danach trachtend, leichte, geistvolle Konversation zu machen. Goya sah ein Capricho: einen Halbverwesten, der elegant an einem Klavier lehnt, eine Zigarre rauchend.
    Er fühlte etwas wie Scheu vor diesem Menschen, der herumging gleich einem Lebendigen und der doch tot war. »Ich habe nicht verstanden«, sagte er etwas dümmlich.
    Lucía schaute ihm ins Gesicht, unwillig, doch ohne Spott. »Der Abate meint«, sagte sie sehr deutlich, »Sie sollten gescheiter sein.«
    Mit einem Male erkannte er die Zusammenhänge. Erkannte, daß ihm Lucía den Abate vorführte, auf daß er mit Augen sehe, wie es Märtyrern erging. Lucías Mahnung war angebracht. Er war wie ein Kind gewesen. »Spaniens Ruhm«: Quintanas Verse hatten ihm den Kopf rauchen machen, Eitelkeit ihm die Vernunft überrannt. Er hatte seinen »Ruhm« mit Händen greifen wollen. Er verdiente den strengen Blick, die Zurechtweisung Lucías. Sie hatte gut daran getan, Don Diego zu ihm zu bringen, daß dessen Anblick ihm den alten, immer noch so unweisen Kopf zurechtrücke.
    Und er sagte schlicht: »Sie haben
    Recht, Doña Lucia«, und zu
    Don Diego sagte er: »Sie
    Haben recht.«
    Lucía aber,
    Vor dem Aufbruch, auf die Truhe
    Weisend, wo sein wahrer Ruhm lag,
    Sagte, jede Silbe formend,
    Laut und klar: »Ich danke Ihnen,
    Goya. Nun, da diese Blätter
    In der Welt sind, schäme ich mich
    Nicht mehr, Spanierin zu sein.« Und
    Vor den Augen Don Diegos
    Küßte sie Francisco auf den
    Mund, heiß, schamlos.

26
    Doktor Peral suchte Goya in der Ermita auf. Francisco erkannte sogleich, daß er in einer wichtigen Angelegenheit kam.
    »Ich habe Ihnen eine Mitteilung zu machen«, sagte denn auch nach ein paar einleitenden Worten Peral. »Ich habe gezögert zu sprechen, und vielleicht ist es ganz falsch, daß ich spreche. Aber Sie haben mir erlaubt, Doña Cayetana mit Ihren Augen zu sehen, in den Caprichos, und Sie haben mich Zeuge sein lassen, als Sie Doña Cayetanas Urteil auf die Probe stellten mit jenem Porträt. Ich darf wohl annehmen, daß Sie und ich nahe Freunde der Duquesita sind.«
    Goya schwieg, sein massiges Gesicht war zugesperrt, er wartete ab. Zögernd, mit Anlauf, sprach Peral weiter. Ob Goya in der allerletzten Zeit an Cayetana eine kleine Veränderung wahrgenommen habe, fragte er. Aha, sagte sich Francisco, sie hat den Streich mit Agustín entdeckt, und er kommt, mich zu warnen. »Ja«, sagte er, »Doña Cayetana schien mir etwas verändert in den letzten Tagen.« Peral, mit gekünstelter Beiläufigkeit, antwortete: »Sie ist verändert. Sie ist schwanger.«
    Goya fragte sich, ob er recht verstanden habe, aber er wußte, er hatte recht verstanden. »Está preñada«, hatte Peral gesagt. Palabra preñada, ein bedeutungsschwangeres Wort, dachte Goya närrischerweise. In ihm war Aufruhr, er suchte ihn niederzuzwingen. Peral hätte nicht sprechen sollen, Francisco wollte von diesen Dingen nichts wissen, er wollte nicht eingeweiht sein in die übeln Intimitäten Cayetanas. Aber Peral fuhr fort mit seinen unerwünschten Vertraulichkeiten; jetzt schrieb er sie ihm sogar auf. »Früher in solchen Fällen«, schrieb er, »hat Doña Cayetana rechtzeitig dafür gesorgt, ihren Zustand zu beseitigen. Aber diesmal war sie in den ersten Wochen offenbar willens, das Kind zur Welt zu bringen, und hat sich erst später eines andern besonnen. Bedenklich spät. Denn wenn sie bei ihrem Entschluß bleibt, wäre das nicht ungefährlich.«
    Goya las. »Warum teilen Sie das mir mit?« fragte er böse. Peral antwortete nicht, er schaute ihn nur an, und Goya wußte, was er sogleich begriffen hatte: daß es nämlich um sein, Franciscos, Kind ging. Sein Kind hatte Cayetana zur Welt bringen wollen – und wollte es jetzt nicht mehr.
    Peral schrieb: »Es wäre gut, Don Francisco, wenn Sie Doña Cayetana überreden könnten, den Eingriff nicht vornehmen zu lassen.«
    Goya, heiser und sehr laut, sagte: »Es ist nicht meine Sache, in die Entschlüsse der Frau Herzogin einzugreifen. Ich habe es nie getan, und ich werde es nicht tun.« Er dachte sinnlos: Preñada. Palabra preñada. Sie hat ihren Mann umgebracht, sie hat meine Elena umgebracht, sie wird auch dieses mein Kind umbringen. Er sagte, sehr laut: »Ich rede nicht mit ihr, ich rede kein Wort mit ihr darüber.« Peral

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