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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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war ein wenig blasser geworden. Er schrieb ihm auf: »Bitte, verstehen Sie, Don Francisco, es ist nicht ungefährlich, den Eingriff vorzunehmen.« Goya las. Zuckte die Achseln. »Ich kann nicht mit ihr reden, Doktor«, sagte er gequält, es klang wie eine Entschuldigung, »ich kann es nicht.« Doktor Peral sagte nichts mehr und schrieb nichts mehr. Er riß die Zettel aus dem Heft und zerriß sie in winzige Stücke.
    Goya sagte: »Verzeihen Sie meine Heftigkeit, Don Joaquín.« Er holte die Caprichos aus der Truhe, suchte zwei Blätter heraus, jenes, das Cayetana darstellte, wie sie auf der Wolke der drei Männerköpfe verrucht zum Himmel oder zur Hölle fährt, und jenes andere mit der zweigesichtigen Cayetana, dem besessenen Liebhaber, dem Gezücht ringsum und dem Zauberschloß in den Lüften. »Wollen Sie die Blätter haben, Doktor?« fragte er. Peral rötete sich tief. »Danke, Don Francisco«, sagte er.
    Wenige Tage später kam Botschaft von Peral, Goya möge sogleich nach Moncloa kommen. Er fuhr hin, sah Perals Gesicht, wußte, es war keine Hoffnung mehr.
    In dem verdunkelten Zimmer, in dem Cayetana lag, war Parfum verspritzt, doch vermochte es einen leisen, süßlichübeln Geruch, der vom Alkoven kam, nicht zu übertäuben. Die Vorhänge des Alkovens waren herabgelassen. Peral machte Francisco ein Zeichen, sie zurückzuschlagen, dann entfernte er sich. Francisco öffnete den Vorhang. Zur Seite des Bettes saß dürr, starr, versteint die Dueña. Francisco trat an die andere Seite des Bettes.
    Cayetana lag gelblich wächsernen Gesichtes, die tief eingesunkenen Augen geschlossen. Oft waren Francisco die hohen Brauen der Frau vorgekommen wie riesige Torbögen, aber was hinter den Toren vorging, hatte er nie zu erkennen vermocht. Nun wünschte er brennend, die geschlossenen, wächsernen Lider möchten sich öffnen. Er kannte ihre Augen, die überreiches Getümmel ahnen ließen und nicht die kleinste Sicherheit erlaubten. Dieses eine, letzte Mal aber, wenn sie nun die Augen öffnete, würde er die Wahrheit sehen.
    Sehr deutlich in ihm, so deutlich, als stünden sie leibhaft im Raum, waren die letzten Worte, die er aus der redenden Welt in seine Taubheit mitgenommen hatte, ihre Worte: »Ich habe immer nur dich geliebt, Francho, immer nur dich, du dummer, alter, du häßlicher, einziger Mann. Immer nur dich, du frecher Maler. Immer nur dich.« Dabei hatte sie gewußt, daß die Liebe zu ihm ihr den Untergang bringen werde; die tote Brígida hatte es ihr gesagt und die lebendige Eufemia. Sie war wissend hineingegangen in ihre Liebe und in die tödliche Gefahr. Und er, so oft sie ihn darum gebeten, hatte sie nicht einmal gemalt. Er hatte sie nicht malen können. Vielleicht aber auch hatte er sie nur deshalb nicht gemalt, weil er sie nicht hatte gefährden wollen. Und da lag sie nun und starb trotzdem.
    Voll verworrener Gedanken starrte er auf sie. Es war nicht denkbar, daß sie starb, man konnte sich nicht vorstellen, daß dieses heiße, launische, hochfahrende Herz aufhören sollte zu schlagen. Er befahl ihr, sich zu regen, endlich die Augen aufzumachen, ihn zu erkennen, zu ihm zu sprechen. Er wartete darauf mit gewalttätiger Ungeduld. Er beschimpfte siein seinem Innern, daß sie schon wieder launenhaft sei. Aber sie öffnete die Augen nicht, sie sprach nicht, sie war nur beschäftigt mit ihrer Schwäche, ihrem Verrinnen, ihrem Sterben.
    Ein Gefühl ungeheuern Alleinseins, ungeheurer Fremdheit war in ihm. Sie waren verbunden gewesen, sie und er, wie Menschen enger nicht verbunden sein konnten, und wie fremd waren sie einander. Wie wenig kannte sie seine Wirklichkeit, seine Kunst. Und wie wenig kannte er sie. Sein »Tantalus« war gelogen: sie blinzelte nicht, sie starb.
    Doña Eufemia, hart, feindselig, kam zu ihm herüber. Schrieb ihm auf: »Sie müssen jetzt gehen. Die Marquesa de Villabranca kommt.« Er begriff die Dueña: er hatte die Herzogin von Alba verunehrt all diese Jahre hindurch, nun sollte er sie wenigstens in Würde sterben lassen. Fast lächelte er. Angestanden hätte es dieser letzten Alba dahinzugehen, auf den Lippen ein freches, kühnes, höhnisches Wort. Aber da lag sie, schwach und in übelm Geruch, und ihr Hingang wurde nicht würdiger, auch wenn er sich in Gegenwart der Familie Villabranca vollzog statt in der seinen.
    Die Dueña begleitete ihn zur Tür. »Sie haben sie umgebracht, Herr Erster Maler«, sagte sie, grenzenlosen Haß in den Augen.
    Peral war im Vorzimmer. Die beiden Männer verneigten

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