Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
kommen.
Kaum aber hatte er Lucía verlassen, als Pepa ihn rief. Sie forderte ihn auf, ihr ein Glas Punsch zu bringen. Don Manuel merkte, daß sie mit Goya allein sein wollte; er verstand das und wollte sie nicht verstimmen. Er ging zu den andern.
»Wie sehe ich aus?« fragte Pepa, sie saß träg und zärtlich in ihrem Sessel. Francisco war unsicher. Er war immer bereit gewesen, offen mit ihr zu sprechen; es war ihre Schuld, wenn sie nun ohne Aussprache auseinandergingen und nicht so freundlich, wie es hätte sein können. Wenn einer Ursache hatte zu zürnen, so war es er.
»Ich möchte nicht lange bleiben«, fuhr sie fort. »Soll ich zu dir kommen, oder kommst du zu mir?« Sein Gesicht wurde töricht vor Verblüffung. Was wollte sie? So dumm war sie doch nicht, daß sie, als sie zu diesem Abend eingeladen wurde, nicht verstanden hätte, worum es ging. Oder hatte Lucía sie doch nicht aufgeklärt? Vielleicht war doch er es gewesen, der alles falsch gemacht hatte.
In Wahrheit wußte Pepa seit Tagen, worum es ging, aber die Entscheidung fiel nicht so leicht, wie er sich’s vorstellte. Tagelang hatte sie sich gefragt, warum er nicht spreche und ob nicht sie die Auseinandersetzung herbeiführen solle. Bei aller Gelassenheit ihres Gemütes war sie erbittert, daß er sie so leicht preisgab, sei es um seiner Karriere willen, sei es, weil er sie los sein und ihrem Fortkommen nicht im Wege stehen wollte. Inmitten all dieser Erwägungen erkannte sie, wie sehr sie an ihm hing.
Sie war trotz ihrer vielen Erlebnisse in ihrem Empfinden einfach geblieben. Sie hatte mit Männern geäugelt und geliebelt, aber ihr Felipe Tudó war der erste gewesen, mit dem sie geschlafen hatte. Als sich später, vor allem während ihrer Schauspielstudien, Männer handgreiflicher um die Viudita bewarben, hatte sie das mehr abgestoßen als angezogen. Dann war mit vielen Masten der Admiral in ihr Leben gesegelt, und das hatte ihr Selbstgefühl sehr erhöht. Aber was Lust ist, tiefe, wirkliche Lust, das hatte sie erst Francisco Goya spüren machen. Es war schade, daß er sie nicht mehr liebte, als er’s tat.
Als Lucía ihr davon sprach, daß dem allmächtigen Minister viel daran liege, sie kennenzulernen, hatte sie natürlich begriffen, daß sich da ein breiter, sehr besonnter Weg vor ihrauftat; der Traum ihrer Romanzen von prächtigen Schlössern und demütiger Dienerschaft konnte sich verwirklichen. Sie hatte sich in Phantasien verloren, wie das sein werde, wenn jetzt der Herzog von Alcudia, der Cortejo der Königin, ihr Cortejo werden würde, und sie hatte sich beim Kartenspiel von der Dueña noch mehr betrügen lassen als sonst.
Bei alledem war sie entschlossen gewesen, Franciscos Freundin zu bleiben, wenn der nur wollte, und dazu entschlossen war sie noch.
Nun also hatte sie ihm eine klare Frage gestellt: »Soll ich zu dir kommen heute nacht, oder kommst du zu mir?« Und da saß er, so dummen Gesichtes, wie nur er es machen konnte.
Da er schwieg, fragte sie weiter, liebenswürdig: »Hast du eine andere gefunden, Francho?« Und da er immer noch schwieg: »War ich dir lästig? Warum wirfst du mich dem Herzog hin?« Sie sprach freundlich, nicht laut, die andern mußten glauben, sie mache belanglose Konversation.
Sie saß da, schön, begehrenswert, seinem Mannes- und seinem Malerauge wohlgefällig, und ärgerlicherweise hatte sie recht: er hatte eine andere gefunden, nicht gefunden, sie war einfach in sein Leben getreten, diese andere, und hatte ihn gepackt mit Haut und Haaren, und darum gab er sie, Pepa, dem Herzog preis. Aber sie hatte nur zum Teil recht. Von den Zusammenhängen, von dem Opfer, das er für den Jovellanos und Spanien brachte, ahnte sie nichts. Unvermittelt stieg eine wilde Wut in ihm hoch. Immer wird man verkannt. Am liebsten hätte er sie geschlagen.
Agustín Esteve schaute von Pepa zu Lucía und von Lucía zu Pepa. Er ahnte die Zusammenhänge. Francisco war in Not. Francisco brauchte ihn, sonst hätte er ihn heute abend nicht hierher mitgenommen, und das zeigte ihm, wie fest sie zusammenhingen. Trotzdem hatte Agustín wenig Freude an diesem Abend. Er stand verloren herum, beneidete Francisco um seine Nöte.
Lucía hatte Champagner bringen lassen. Agustín, gegenseine Gewohnheit, begann zu trinken. Abwechselnd trank er von dem Malaga, der ihm nicht schmeckte, und von dem Champagner, der ihm nicht schmeckte, und er war traurig.
Don Manuel fand, er habe jetzt dem Anstand Genüge getan und dürfe sich wieder der Viudita
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