Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
widmen. Diese sah das nicht ungern. Sie hatte sich Francisco angeboten, klar und deutlich, sie hatte sich erniedrigt, und wenn Francisco sie verschmähte, gut, so wird sie den Weg gehen, den er sie wies. Aber dann soll es auch werden wie in ihren Romanzen. Dann will sie dastehen, geschmäht vielleicht, aber bewundert und erhöht über die andern. Es ist nicht so, daß ein großer Herr wie dieser Herzog einfach hergehen kann und sie auflesen. Vielmehr wird sie von diesem Manuel ihren Preis verlangen, einen guten Preis, einen überaus hohen Preis, da er bereit scheint, ihn zu zahlen.
Pepa Tudó war mit Lucía Bermúdez befreundet, sie erschien häufig in deren Tertulia, aber nicht wohnte sie den repräsentativen Abenden bei, welche Señor und Señora Bermúdez zuweilen gaben. Sie war vernünftig und verstand es, daß die große Gesellschaft die Witwe eines kleinen Seeoffiziers nicht in ihren Kreis aufnahm. Aber das sollte jetzt anders werden. Wenn sie eine Bindung mit Don Manuel einging, dann wollte sie nicht eine seiner kleinen, versteckten Freundinnen sein, sondern seine offizielle Mätresse, die Rivalin der Königin.
Don Manuel hatte getrunken, er war heiß, erregt von seinem Champagner und von der Nähe der Viudita. Er wollte sich ihr vorführen. Ob sie reite, fragte er sie. Das war eine ungewöhnlich törichte Frage: auf Pferden ritten nur die Damen der Granden und der Allerreichsten. Gelassen erwiderte sie, auf den Pflanzungen ihres Vaters habe sie zuweilen auf einem Pferde gesessen, aber hier in Spanien nur auf Eseln und Maultieren. Da sei vieles nachzuholen, antwortete er. Sie müsse reiten, sie werde göttlich aussehen zu Pferde. Er selber sei kein schlechter Reiter.
Pepa sah ihre Gelegenheit. »Ganz Spanien weiß«, erwiderte sie, »was für ein guter Reiter Sie sind, Don Manuel.« Und:»Kann ich Sie nicht einmal reiten sehen?« fügte sie hinzu. Es war aber diese unschuldige Frage überaus kühn, ein Ansinnen, eine richtige Zumutung, selbst im Munde der schönsten Viudita des Landes; denn den Reitübungen Don Manuels pflegte die Königin beizuwohnen und häufig auch der König. Mußte, was in Madrid Stadtgespräch war, nicht auch Señora Tudó wissen? Einen Augenblick stutzte der Herzog; mehr als das, er wurde nüchtern, er sah einen großen Käfig sich auftun, in den ein schöner Mund ihn einzutreten bat. Aber dann sah er diesen schönen, breiten, verlockenden Mund, er sah die grünen Augen Pepas auf sich, ruhig, wartend, und er wußte: wenn er jetzt nein sagte, wenn er jetzt zurückwich, dann hatte er die Frau verloren, diese herrliche Frau, deren rotes Haar, deren weiße Haut, deren Geruch ihn so angenehm betäubte. Gewiß, er wird mit ihr schlafen können, auch wenn er nein sagte; aber er wollte mehr, er wollte sie immer um sich haben, wann immer er sie begehrte, und immer war immer, er wollte sie ganz für sich haben. Er schluckte, trank, schluckte wieder, sagte: »Gewiß, Señora. Natürlich, Doña Josefa. Es wird mir eine Ehre sein, Ihnen vorzureiten. Der Hof geht in den nächsten Tagen nach dem Escorial. Aber es wird ein Morgen sein, da wird Ihr ergebener Diener Manuel Godoy nach Madrid zurückkehren in sein Landhaus, und er wird für einige Stunden die Sorgen und Geschäfte des Staates von sich abschütteln, und er wird vor Ihnen reiten, für Sie reiten, Doña Pepa.« Es war das erste Mal, daß er die Koseform ihres Namens gebrauchte.
Pepa Tudó, in ihrem Innern, triumphierte aus ganzer Brust. Sie dachte an ihre Romanzen: was Don Manuel da gesagt hatte, klang poetisch wie ihre Romanzen. Vieles in ihrem Leben wird nun anders werden, manches wohl auch im Leben Don Manuels. Und einiges auch im Leben Franciscos. Sie wird in der Lage sein, ihm Dienste zu erweisen oder zu verweigern. Sie wird sie natürlich nicht verweigern. Aber – und ein rachsüchtiger Glanz kam in ihre grünen Augen – sie wird ihn spüren lassen, daß sie es ist, die seine Karriere fördert.
Señor Bermúdez sah, wie sich Don Manuel um Pepa abarbeitete, und Sorge beschlich ihn. Stürmisch gab sich sein Herzog oft, aber niemals war er so ins Zeug gegangen wie jetzt. Man mußte acht darauf haben, daß er keine Dummheiten beging. Manchmal war er der Königin zu sicher. Doña María Luisa hatte nichts dagegen, daß er zuweilen über die Stränge schlug, aber sie war nicht die Frau, eine ernsthafte Bindung Don Manuels zu dulden, und die Sache mit der Witwe Tudó sah nicht so aus, als ob sie nur über den Sonntag dauern sollte. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher