Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
er. »Das schickt sich eigentlich nicht für einen Herrn in Ihrer Stellung. Aber, was wahr ist, muß man sagen; gegen Ihr Baryton kann ich nicht aufkommen mit meiner bescheidenen Violine.«
Die Alba erklärte, ihre Bühne gehöre den Dilettanten, und ob sich einer ihrer Gäste betätigen wolle. Die Königin, beiläufig, doch so, daß jeder es hören konnte, fragte: »Wie istdas, Don Manuel? Wollen nicht Sie eine Ihrer Romanzen oder eine Seguidilla Bolera zum besten geben?« Don Manuel zögerte eine winzige Weile. Dann, unterwürfig, erwiderte er, er fürchte, in einem so verfeinerten Milieu und nach einer so kostbaren Darbietung sei seine arme Kunst fehl am Ort. Nun aber bestand Doña María Luisa. »Zieren Sie sich nicht, Don Manuel«, redete sie ihm zu, und es war nicht mehr die Königin, die bat, es war eine Frau, welche ihren Bekannten die mannigfachen Talente ihres Liebhabers vorführen wollte. Don Manuel aber – vielleicht dachte er an Pepa – war nicht in der Laune, sich vorführen zu lassen. »Bitte, glauben Sie mir, Madame«, erwiderte er, »ich bin nicht bei Stimme, und ich werde nicht singen.«
Das war brüsk. So durfte ein Grande seiner Königin nicht antworten und nicht ein Cortejo seiner Dame, zumindest nicht in Gegenwart anderer. Ein kleines, betretenes Schweigen war. Aber die Herzogin von Alba besaß den Takt, die Niederlage der Königin nur für wenige Sekunden auszukosten. Dann, liebenswürdig, bat sie zur Tafel.
Goya saß am Tische des niederen Adels, mit Jovellanos und dem Abate. Das war anders schwer möglich. Trotzdem war er verdrossen, redete wenig und aß viel. Noch immer nicht hatte er mit der Herzogin gesprochen. Nach Tische –
der Herzog hatte sich sogleich zurückgezogen – hockte Francisco allein in einer Ecke. Er war nicht mehr zornig, eine schlaffe Enttäuschung hatte ihn überkommen.
»Sie vermeiden mich geradezu, Don Francisco«, hörte er eine etwas harte Stimme sagen; doch ihn rührte sie tiefer an, als es die Musik des österreichischen Meisters getan hatte. »Erst lassen Sie sich wochenlang nicht sehen«, fuhr die Herzogin fort, »dann gehen Sie mir einfach aus dem Wege.« Er starrte sie an, wie damals, hemmungslos, sie schaute freundschaftlich, keineswegs wie damals. Sie spielte mit dem Fächer, es war nicht sein Fächer, aber wenigstens sagte der Fächer Angenehmes.
»Setzen Sie sich zu mir«, befahl sie. »Ich habe wenig Zeitgehabt in diesen letzten Wochen«, erzählte sie ihm, »der Bau dieses Landhauses hat mich in Anspruch genommen. Auch in der nächsten Zukunft werde ich nicht viel Zeit haben, ich muß mit dem Hof nach dem Escorial. Aber sowie ich zurück bin, müssen Sie endlich ein Porträt von mir machen, auf Ihre neue Art. Alle Welt schwärmt von Ihren neuen Porträts.« Goya hörte zu, verneigte sich, schwieg.
»Kein Wort haben Sie mir gesagt über mein Haus«, fuhr die Alba fort. »Sie sind nicht höflich. Und was halten Sie von meinem Theaterchen? Natürlich nichts. Ihnen gefällt eine Bühne für derbe, männliche Sachen, für Weiber mit viel Busen und großen Stimmen. Mir gefällt dergleichen auch, zuweilen. Aber auf meiner Bühne möchte ich anderes spielen lassen; es sollte auch sehr frech sein, gewiß, doch gleichzeitig zart, elegant. Was halten Sie zum Beispiel von Calderóns ›Weh dem, der mit der Liebe spaßt‹? Oder fänden Sie ›Das Mädchen des Gómez Arias‹ besser?«
Franciscos Gehör versagte, ihm flirrte vor den Augen. »Das Mädchen des Gómez Arias«, das war die bunte, süße und wilde Komödie von dem Manne, der sich maßlos in ein Mädchen verliebt, sie entführt, sie sogleich satt hat und sie an die Mauren verkauft. Franciscos Herz setzte aus. Die Alba wußte Bescheid um seine Sache mit Don Manuel und der Pepa. Sie verhöhnte ihn. Er stammelte was, erhob sich, verneigte sich ungelenk, ging von ihr weg.
Wütete. Wiederholte sich, was sie gesagt hatte. Überdachte es. Wog es. Gómez war ein Schuft, gewiß, aber ein Schuft von Format, ein Schuft, dem alle Weiber zuflogen. Was ihm die Alba gesagt hatte, bestätigte nur, daß er bei ihr alle Aussichten hatte. Aber er ließ sich nicht so behandeln, er war kein kleiner Junge, mit dem man spielte.
Don Manuel setzte sich zu ihm, redete auf ihn ein, begann ein vertrauliches Gespräch, ein Männergespräch. Verbreitete sich über den Spaß, den er sich mit der Königin geleistet hatte, noch dazu im Hause der Alba. »Ich lasse mir nicht einreden«, erläuterte er, »von niemand. Ich singe,
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