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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Rivalin mit Würde. Sie saß da in ihrem weiten, juwelenübersäten Rock, in guter Haltung, das scharfe Kinn hoch, den riesigen Fächer langsam bewegend. Ihre Lippen lächelten freundlich.
    Goya, der María Luisa oft gemalt hatte, kannte sie genau, jedes Fältlein ihres von Lebensgier, Genuß und unbefriedigtem Verlangen zerstörten Gesichtes. Schön war sie nie gewesen, aber es hatte, solange sie jung war, so viel wildes, wüstes Leben von ihr ausgestrahlt, daß sie Männer wohl hatte anziehen können. Auch war sie wohlgebaut; jetzt freilich war durch viele Geburten ihr Leib schlotterig geworden, und übriggeblieben waren nur schöne Arme. Mit bitterem Amüsement und kleiner Rührung sah Goya, wie kläglich in all ihrem Stolz die mit jedem Prunk geschmückte Königin dasaß vor der blühenden Alba und ihrer kostbaren Einfachheit. Die alternde María Luisa hatte den schärferen Verstand und unbegrenzte Macht, aber die andere war herzbeklemmend schön. Böse waren sie beide, hexenhaft, und es war die Frage, welche der beiden Hexen die gefährlichere war, die schöne oder die häßliche. Wie überflüssig, wie dumm und grausam war es gewesen, daß die Alba ihre Rivalin ein zweites Mal gedemütigt hatte. Es war nicht gut für ihn, diese Frau länger anzuschauen. Finster entschlossen, zum zehnten Male, befahl er sich, zu gehen, sowie der König gehen werde.
    Aber er wußte: er wird bleiben. Er wußte, diese schöne, böse Frau war die äußerste Versuchung und die tiefste Gefahr seines Lebens, ein Einmaliges, wie es ihm nie mehr begegnen wird, die Quelle hoher Lust und hohen Leids. Er aber schrieb sich Francisco Goya, und er wird diesem Einmaligen nicht aus dem Wege gehen.
    Don Manuel sang dieses Mal nur drei Lieder. Kaum war er mit dem dritten zu Ende, so sagte die Königin: »Sie wollten morgen mit dem frühesten zur Jagd, Carlos. Ich denke, wir sollten aufbrechen.«
    Aber der König knöpfte seine prunkvolle Weste auf, darunter wurde eine andere, einfache, sichtbar mit mehreren Uhrketten. Er zog zwei Uhren heraus, beschaute sie, behorchte sie, verglich sie; er liebte Uhren und Genauigkeit. »Es ist erst zehn Uhr zwölf«, konstatierte er. Er steckte die Uhren wieder fort, knöpfte sich zu, saß da, seinen Stuhl ausfüllend, lässig, massiv, verdauend, behaglich. »Eine kleine halbe Stunde«, meinte er, »können wir noch bleiben. Es ist ein so gemütlicher Abend.«
    Des Königs Äußerung war Don Diego, dem Abate, ein willkommenes Stichwort. Von ganzem Herzen ein Gegner des Krieges, wußte er, daß Don Manuel und die Königin Frieden machen wollten, bisher aber vorsichtig davor zurückscheuten, solche Stimmungen laut werden zu lassen. Jetzt rechnete der kluge Abate damit, die temperamentvolle Doña María Luisa, gereizt durch ihre Niederlage als Frau, werde froh sein um eine Gelegenheit, Staatsmannschaft zu zeigen und zu glänzen auf einem Gebiet, auf welches ihr die Rivalin nicht folgen konnte. Er ergriff die Gelegenheit und sprach: »Eure Majestät haben geruht, die heitere Stimmung zu rühmen, die über dem heutigen Tage liegt, die ›Gemütlichkeit‹, wie Eure Majestät sich auszudrücken beliebten. Sie werden, Sire, überall, wo heute Spanier zusammenkommen, mögen sie hohen Standes sein oder niedrigen, ein solches Aufatmen wahrnehmen; denn alle spüren, daß dank der Weisheit Ihrer Regierung dieser harte Krieg seinem Ende entgegengeht.«
    Don Carlos schaute verwundert auf den schweren, ungeschlachten Herrn, der seine schwarze, geistliche Gewandung so elegant trug. Was war das für ein sonderbarer Vogel, ein Höfling oder ein Priester? Und schon gar nicht wußte der König, was er aus den seltsamen Sätzen machen sollte, die aus seinem Munde kamen. Wohl aber schnappte, genau wiees der Abate beabsichtigt hatte, Doña María Luisa nach dem Köder und nutzte die Gelegenheit, wenn nicht als Frau, so doch als Königin zu glänzen. Sie zeigte sich als die gütige Landesmutter, die einen gemäßigten Frieden der ehrenvollen, aber an Blut und Gold überaus kostspieligen Fortsetzung des Krieges vorzieht. »Was Sie da sagen, Herr Abate«, erklärte sie mit ihrer klangvollen Stimme, »erfüllt uns mit Genugtuung. Wir haben, der König und ich, länger und feuriger als alle andern das heilige Prinzip der Monarchie gegen die aufrührerischen Franzosen verteidigt. Wir haben unsere Alliierten angefleht und bedroht, um sie festzuhalten bei ihrer Pflicht, Frankreich unter die Herrschaft seines gottgewollten Herrn

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