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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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lebendige Verneinung all des zierlich tändelnden Krimskrams, mit welchem das Palais angefüllt war? Ja, er war es, Don Gaspar Jovellanos, der Opponent der Kirche und des Thrones, der ungern Zurückgerufene, dem der König noch nicht verstattet hatte, ihm zum Dank für die neue Huld die Hand zu küssen. Es war eine Dreistigkeit sondergleichen, daß Doña Cayetana ihn eingeladen hatte, heute, da die Katholischen Majestäten erwartet wurden. Die versammelten Herren und Damen wußten denn auch nicht recht, wie sie sich zu Don Gaspar stellen sollten. Sie begrüßten ihn höflich und kühl und vermieden Gespräche mit ihm. Ihm schien das recht. Es war ein Sieg seiner Sache, daß die Erste Edeldame des Reiches ihn bei einem solchen Anlaß zu sich bat; im übrigen lag ihm nicht daran, sich mit dem adeligen Gelichter gemein zu machen. Einsam und trotzig saß er auf seinem goldenen Stühlchen, und Goya hatte das Gefühl, das kleine Möbel müßte unter so viel Würde zusammenbrechen.
    Der Herzog von Alba und seine Mutter, die Marquesa von Villabranca, begrüßten die Gäste. Der Herzog war lebhafterals sonst. »Sie werden eine kleine Überraschung erleben, mein Lieber«, erzählte er Goya. Der Abate klärte Goya darüber auf, daß die Herzogin den Theatersaal von Buenavista mit Kammermusik einzuweihen gedenke und daß der Herzog selber spielen werde. Goya war nicht sehr interessiert. Er war nervös, er vermißte die Gastgeberin, es war seltsam, daß sie nicht da war, ihre Gäste zu empfangen. Auch dafür hatte der Abate die Erklärung. Man mußte mit der Besichtigung des Hauses wohl oder übel warten, bis die Majestäten eintrafen. Doña Cayetana aber wollte nicht warten, auch nicht auf das Königspaar. So hatte sie einen guten Meldedienst eingerichtet und wird den Saal erst unmittelbar vor den Majestäten, gleichzeitig mit den Majestäten, betreten.
    Da war sie. Viele Male hatte sich Francisco befohlen, ruhig zu bleiben bei ihrem Anblick, aber es geschah ihm wie damals, da er sie auf der Estrade erschaut hatte. Alles andere, die Gäste, das goldene Um und Um, die Bilder, die Spiegel, die Kronleuchter, alles versank, und da war sie allein. Sie war von äußerster, herausfordernder Einfachheit. Ihr Kleid war weiß und unverziert, so wie es wohl jetzt die Damen der Republik in Paris tragen mochten: von der schmalen, mit einer breiten Schärpe umspannten Taille fiel es weit mit blassem, goldenem Saum zu Boden. Um das Handgelenk trug sie einen Reif glatten Goldes, sonst war sie ohne Schmuck. Das Haar fiel in dichten Massen schwarz, in ungebärdigen Locken, über die nackten Schultern.
    Goya starrte. Ohne Rücksicht auf die andern, die vor ihm das Recht hatten, sie zu begrüßen, wollte er zu ihr vordringen. Aber da, genau wie es geplant gewesen, kam vom Treppenhaus, sich verstärkend, der Ruf: »Ihre Katholischen Majestäten!« Die Anwesenden bildeten Spalier, und Cayetana ging den Kömmlingen entgegen.
    Der Haushofmeister, seinen Stock aufstoßend, verkündete ein letztes Mal: »Ihre Katholischen Majestäten und Seine Hoheit der Herzog von Alcudia.« Und da kamen sie. Der König, der Vierte Carlos, stattlich, bauchig, raumfüllend,trug, der sechsundvierzigjährige Herr, einen roten, silbergestickten Frack, darüber ein mächtiges Ordensband und den Orden des Goldenen Vlieses; unterm Arm hatte er den dreieckigen Hut, in der linken Hand einen Stock, und sein rotes, freundlich behäbiges Gesicht mit der großen, fleischigen Nase, dem üppigen Mund und der etwas fliehenden, in eine kleine Glatze auslaufenden Stirn war bemüht, imponierend auszuschauen. Neben ihm, einen halben Schritt hinter ihm, die ganze Flügeltür mit dem weiten Reifrock ausfüllend, juwelenübersät wie die Statue einer Heiligen, den mächtigen Fächer in der Hand, erschien Doña María Luisa von Parma, die Königin; riesig, die hohe Türwölbung beinahe streifend, wippten die Federn ihres Hutes. Hinter ihnen aber wurde Don Manuel sichtbar, auf dem schönen, etwas schweren Antlitz das gewohnte, leicht blasierte Lächeln.
    Höfisch knicksend küßte Cayetana die Hand erst des Königs, dann Doña María Luisens. Diese musterte, ihre Verblüffung mühsam verbergend, mit ihren kleinen, scharfen, schwarzen Augen das herausfordernd einfache Kleid, in welchem die hochmütige Alba die Katholischen Majestäten zu empfangen sich erdreistete.
    Sie hielten Cercle ab. Da stand, als gehöre er hierher, Gaspar Jovellanos, der Rebell. Der König, der langsam im Geiste war,

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