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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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erkannte ihn nicht sogleich. Dann meinte er, sich räuspernd: »Wir haben uns lange nicht gesehen. Wie geht es denn immer? Sie sehen vorzüglich aus.« Doña María Luisa hingegen konnte für einen Augenblick ihre peinliche Überraschung nicht verhehlen; dann aber sagte sie sich, nachdem man den Mann einmal zurückgerufen habe, sollte man sich wenigstens seiner Finanzkünste bedienen. So ließ sie sich denn den Handkuß des Rebellen gnädig gefallen. »In dieser schweren Zeit, Señor«, sagte sie, »bedarf unser armes Land der Dienste eines jeden, er sei wer immer. So haben wir, der König und ich, beschlossen, auch Ihnen Gelegenheit zu geben, sich zu bewähren.« Sie sprach laut mit ihrer nicht unangenehmen Stimme, so daß alle die zweideutige Liebenswürdigkeitbewundern konnten, mit der sie sich aus der schwierigen Situation zog. »Ich danke Ihnen, Majestät«, erwiderte Jovellanos, und auch er wandte seine geübte Rednerstimme an, so daß er überall im Saale vernehmlich war. »Ich hoffe nur, daß meine Fähigkeiten während der langen Zeit, die ich zu feiern gezwungen war, keinen Rost angesetzt haben.« Das alles sollst du mir bezahlen, dachte María Luisa, und sie meinte die Alba.
    Man besichtigte das Haus. »Sehr hübsch, sehr gemütlich«, lobte Don Carlos. Die Königin aber betrachtete neidisch und mit Kennermiene die kostbaren Details der zierlich heitern Einrichtung. Sie wies auf die Meisterschöpfungen der alten spanischen Maler, die seltsam kalt und großartig auf die liebenswürdige Nichtigkeit ringsum herunterschauten. »Sonderbare Sachen haben Sie sich da an die Wand gehängt, meine Liebe«, meinte sie. »Mich würde frösteln unter diesen Bildern.«
    Im Theatersaal ergingen sich selbst die kühlen, verschlossenen Granden in Ausrufen des Entzückens. Prunkvoll und trotzdem diskret schimmerte der blau und goldene Raum im Lichte der zahllosen Kerzen. Logen und Gestühl, gefertigt aus edelstem Material, lockten zärtlich und zeremoniös. Die Pfeiler aber, die den Balkon trugen, liefen aus in altertümliche Wappentiere, andeutend, daß man zu Gaste war bei einer Dame, welche die Titel von sieben Granden Spaniens vereinigte.
    Und nun kam die Minute, auf welche sich der Herzog von Alba seit Wochen gefreut hatte. Der Haushofmeister bat die Damen und Herren, sich zu setzen. Auf der Bühne aber erschienen der Herzog, seine Schwägerin Doña María Tomasa und die kleine Geneviève, die Tochter Monsieur de Havrés. Des Herzogs Schwägerin, eine schwarzhaarige, wohlgebaute Dame, wirkte robust neben Geneviève und dem Herzog; aber sie spielte von den drei Instrumenten auf der Bühne das kleinste, die Viola. Geneviève hingegen saß dünn, lieblich, ein wenig dürftig von Körper und von Tracht, vor ihrem großenViolincell. Der Herzog selber spielte ein Instrument, das man jetzt seltener und seltener hörte und sah, ein Baryton, eine Viola di bordone, eine Art Kniegeige mit vielen Saiten, nicht allzu groß, von aufrührend hart und weichem, tiefem Klang.
    Die drei probierten auf ihren Instrumenten, nickten einander zu, dann begannen sie ein Divertimento von Haydn. Doña María Tomasa spielte ihre Viola mit Ruhe und Sicherheit, Geneviève arbeitete an ihrem gewaltigen Cello, großäugig, eifrig und schüchtern. Der Herzog aber, sonst so kühl und abwesend, belebte sich, während er spielte; die Finger, welche die Saiten drückten und rissen, wurden zu Wesen, die für sich selber lebten, die schönen, melancholischen Augen strahlten, der ganze, sonst so beherrschte Körper ließ sich gehen, schwang vor und zurück, während er dem Instrument sein verborgenes Wesen entriß. Gerührt und entzückt schaute die alte Marquesa de Villabranca auf ihren lieben Sohn, und: »Ist er nicht ein Künstler, mein José?« fragte sie Goya, der neben ihr saß. Er aber sah nur mit halbem Aug und hörte nur mit halbem Ohr. Er hatte noch kein Wort mit Cayetana gesprochen, er wußte nicht einmal, ob sie ihn bemerkt hatte.
    Den Gästen gefiel die Musik, und das Lob, mit dem sie den lächelnden und erschöpften Herzog von Alba bedachten, war ehrlich. Auch König Carlos vergaß, daß Don José rebellischerweise mehrere Male unter durchsichtigen Vorwänden abgelehnt hatte, als er, der König, ihn aufgefordert, mit ihm in seinem Quartett zu spielen, und er schickte sich an, ihm etwas Gnädiges zu sagen. Füllig und ungeschlacht stand der Monarch vor seinem schmächtigen Ersten Granden. »Sie sind ein richtiger Künstler, Don José«, erklärte

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