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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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andere Spanier wird gleichzeitig tief betrübt sein, daß man an Friedensschluß denkt, während noch feindliche Truppen auf unserm Boden stehen. Ich erinnere mich, wie die Ärmsten ihr Letztes beisteuerten für die Rüstung; ich erinnere mich, wie das Volk in den Krieg zog, singend, tanzend, stampfend, begeistert. Ich bin sicherlich eine sehr törichte junge Frau, aber ich kann mir nicht helfen, mir kommt nach all dem Enthusiasmus dieses Ende ein wenig, wie nenn ich es, ein wenig nüchtern vor.«
    Sie war aufgestanden. Weiß und schmal, in hoher Simplizität, stand sie vor dem weitausladenden Prunk der Königin.
    Dem armen französischen Botschafter, Monsieur de Havré, ging das Herz auf. Noch erklangen in Spanien Stimmen für das Edle und Heilige, noch gab es in diesem Lande Menschen, die das Königtum verteidigten gegen Aufruhr und Gottlosigkeit. Mit Rührung schaute er auf diese iberische Jungfrau von Orléans und streichelte zärtlich die Hand seiner Geneviève.
    Auch die andern entzogen sich nicht der Wirkung Cayetanas. Natürlich hatte die Königin recht, und was die Alba von sich gab, war Romantik, hellichter, heldischer Unsinn. Aber wie war sie schön, und wie war sie kühn! Gab es einen zweiten in Spanien, Mann oder Frau, der es gewagt hätte, vor der Katholischen Königin den Mund aufzutun, wie sie es getan hatte? Die Herzen der ganzen Versammlung gehörten der Alba.
    Niemand sprach, als sie zu Ende war. Nur Don Carlos schüttelte den großen Kopf und sagte begütigend: »Na, na, na. Aber meine Liebe.«
    Schmerzhaft deutlich spürte Doña María Luisa, wie sich ihr auch dieser Sieg in eine Niederlage kehrte. Sie hätte die freche Widersacherin züchtigen können, sie hatte die Gewalt, aber sie durfte sich nicht gehenlassen, die Worte der andern durften sie nicht getroffen haben, sie durfte nicht heftig werden. »Ihr neues Haus, meine liebe junge Freundin«, sagte sie gelassen, »hat zwar eine Fassade besten alten spanischen Stiles: aber innen haben Sie es eingerichtet, wie die neue Zeit es will. Vielleicht sollten Sie es auch für Ihre Person so halten.« Schwerlich konnte man eine bessere Erwiderung finden, die Königin hatte ihre Erste Edeldame auf würdige Art zurechtgewiesen. Aber Doña María Luisa war sich klar, es nützte nichts, sie selber blieb für alle die häßliche Alte, und die andere wird recht haben, wenn sie noch so unrecht hatte.
    Das wußte offenbar auch die Alba. Sie knickste vor der Königin und sagte mit dreister Demut: »Ich bedaure tief, das Mißfallen Euer Majestät erregt zu haben. Ich bin jung verwaist und nachlässig erzogen. So kommt es, daß ich zuweilen unwillentlich verstoße gegen das strenge und weise Zeremoniell des spanischen Hofes.« Sie schaute aber, während sie so sprach, mit kleinem, schrägem Blick hinauf zu dem Porträt ihres Ahnen, des blutigen Herzogs von Alba, des Feldmarschalls, der, als ihm der König Rechnungslage abverlangte, die Aufstellung geschickt hatte: »Für die Krone Spaniens erobert: 4 Königreiche, erfochten: 9 entscheidende Siege, erfolgreich durchgeführt: 217 Belagerungen, gedient: 60 Jahre.«
    Geteilten Herzens hatte Goya das Streitgespräch der beiden großen Damen mit angehört. Er glaubte an die göttliche Herkunft des Königtums, die Gehorsamspflicht des Untertanen war ihm heilig wie die Verehrung der Jungfrau, und die Worte der Alba schienen ihm frevelhaft vermessen; er hatte sich innerlich bekreuzt, als er sie hörte, soviel Hochmut mußte Unheil herabrufen auf das Haupt der Sprecherin. Trotzdem preßte sich ihm das Herz beinahe schmerzhaft zusammen vor Entzücken über den Stolz und die Schönheit der Alba.
    Die Majestäten entfernten sich bald, pompös, nicht sehr gnädig. Goya blieb. Auch die meisten andern blieben.
    Und jetzt hielt es Don Gaspar Jovellanos für geboten, die Herzogin zu belehren. Er hatte es sogleich nach ihrer Rede tun wollen: allein die stolze und schöne Dame war ihm in ihrer glühenden Vaterlandsliebe sowohl wie in ihrer Torheit als Allegorie seiner Heimat erschienen, und er hatte es nicht übers Herz gebracht, ihr seine Meinung in Gegenwart der Rivalin zu sagen. Nun aber tat er bedeutend den Mund auf. »Señora«, sagte er, »Doña Cayetana, ich begreife Ihren Schmerz über die Nachricht, daß der Krieg beendet werden soll, ohne gewonnen zu sein. Glauben Sie mir, mein Herz schlägt nicht weniger spanisch als das Ihre. Doch mein Hirn denkt nach den Regeln der Logik. Für dieses Mal haben die Berater der Krone

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