Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Manuel ihr mitgeteilt, man werde Goya demnächst in den Escorial einladen. »Ich habe das sehr befürwortet«, sagte sie beiläufig und sah mit Freuden, welche Mühe es Goya kostete, nicht mit Fäusten über sie herzufallen.
»Ich«, erklärte sie mit freundlich
Läss’ger Stimme, »ich bin selber
Schon im Escorial gewesen.«
Da er, blaß und wütend, stumm blieb,
Fuhr sie fort: »Wir machen beide
Karriere, Don Francisco.«
»Hombre!« sagte, als die Damen
Weggegangen, Don Martín. Er
Schnalzte mit der Zunge, und er
Wiederholte: »Hombre!«
Tages
Drauf erschien ein rotbestrumpfter
Läufer. Seine Botschaft lud den
Präsidenten Don Francisco
Goya in den Escorial, zu
Hofe.
14
Dreißig Meilen nordwestlich von Madrid hebt sich weithin sichtbar vor dem dunkeln Hintergrund der Sierra Guadarrama das Schloß El Escorial. Eine ungeheure, imponierende Steinmasse steht es da, kaltprächtig, finster, abweisend.
Nächst dem Vatikan und dem Schloß von Versailles war der Escorial das berühmteste Bauwerk Europas; den Spaniern galt es als das achte Wunder der Welt.
Gebaut hatte das Schloß in der letzten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts der Zweite Philipp, jener finstere, fanatische, wollüstige, mißtrauische, kunstsinnige, bürokratische Herrscher. Zu dreifachem Zwecke. Als seine Soldaten bei Saint-Quentin die französische Armee schlugen, hatten sie unwillentlich ein Kloster des Heiligen Laurentius zerschossen; nun war Laurentius Spanier von Geburt gewesen, die grausame Art seines Martyriums – er war lebendigen Leibes geröstet worden – machte ihn den Spaniern besonders teuer, und König Philipp wollte ihm zur Versöhnung eine Weihestätte errichten, wie die Erde keine zweite kannte. Des fernern wollte er einen Befehl seines Vaters erfüllen, des Kaisers Karl, der inseinem Testament angeordnet hatte, es solle für seine und seiner Kaiserin Gebeine ein würdiges Grabmal erbaut werden. Endlich aber wollte Philipp seine letzten Jahre einsam verbringen, nur in seiner eigenen und seines Gottes Gesellschaft, umgeben von Mönchen und Gebeten.
Nichts war ihm kostbar genug, diese Einsamkeit seiner, des Weltherrschers, würdig zu machen. Aus seinen westindischen Inseln verschrieb er sich die edelsten Hölzer, aus seinen Wäldern von Cuenca die besten Bäume. In den Bergen von Granada und Aracena ließ er braunen, grünen, rotgesprenkelten Marmor schlagen, weißen in den Bergen von Filabrés, Jaspis in den Brüchen von Burgo de Osma. Nicht nur in Spanien arbeiteten die besten Maler und Bildhauer für ihn, auch in Flandern, Florenz, Mailand. Über ferne Landstraßen rollten, über die sieben Meere schwammen Transporte heran für sein Schloß. Mit Hand und Auge prüfte der König jedes Detail; war er im Felde, so mußte ihm täglicher Bericht gesandt werden. Die Einkünfte ganzer überseeischer Provinzen verbaute er.
Der Grundplan des Escorial war so, daß das Schloß als Ganzes das Instrument versinnbildlichen sollte, dessen sich Gott für das Martyrium des Heiligen Laurentius bedient hatte, das Rösteisen, auf dem er verbrannt worden war. Das gewaltige, viereckige Bauwerk selber mit seinen vielen Höfen sollte eine umgekehrte Darstellung dieses Rösteisens sein, die vier Ecktürme sollten die vier Füße, der vorragende Palacio de Infantes den Griff darstellen.
Da hob sich nun das Gebäu, in strengem, gottseligem Prunk, trotzig, gedacht und gemacht für fernste Zukunft, gleich den Pyramiden, doch aus festerem Material, aus dem weißlichgrauen Granit von Peralejos. 16 Patios hatte der Escorial, 2673 Fenster, 1940 Türen, 1860 Räume, 86 Treppen, 89 Springbrunnen, 51 Glocken.
Der Escorial besaß eine herrliche Bibliothek, 130 000 Bände und über 4000 Manuskripte. Die besonders kostbaren arabischen Manuskripte waren gefunden worden auf erbeutetenSchiffen, welche die Schätze Zidians, des Sultans von Marokko, über See trugen. Der Maurenkönig bot zwei Millionen Realen für die Rückgabe der Manuskripte; aber die Spanier verlangten dazu die Freilassung aller seiner christlichen Gefangenen. Da der Sultan darein nicht willigte, befanden sich jetzt die Manuskripte im Escorial.
204 Statuen waren im Schloß und 1563 Gemälde, darunter Meisterwerke des Leonardo, des Veronese und des Raphael, des Rubens und des Van Dyck, des Greco und des Velázquez.
Mehr aber als auf alle diese Kunstwerke waren die Spanier stolz auf die Schätze, die in dem »Relicario« des Escorial gehortet wurden, auf die Reliquien. 1515
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