Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
malen«, sagte er böse und entschieden, Finsternis über dem ganzen, massigen Gesicht, »ein Maler hat zu malen, Schluß, basta.«
»Und über meine Geldangelegenheiten muß ich auch einmal mit jemand reden, der was davon versteht«, fuhr er fort. Das war ein erstaunlicher und erheiternder Übergang. Doch Martín hatte erwartet, daß Francisco von ihm Rat werde haben wollen; er hatte seine Bank in Saragossa, und Francisco hielt ihn für einen Sachverständigen. »Ich freue mich, wenn ich dir raten kann«, sagte er herzlich, und bedächtig fügte er hinzu: »Soweit ich es übersehen kann, sind deine Finanzen keineswegs beunruhigend.«
Das aber wollte Goya nicht wahrhaben. »Ich bin kein Hypochonder«, erwiderte er, »und ich jammere nicht gern. Mir liegt nichts am Geld; nur haben muß ich es. Hier in Madrid ist es wirklich so, wie das Sprichwort sagt: ›Wer kein Geld hat, dem stehen nur drei Plätze auf: das Gefängnis, das Spital und der Kirchhof.‹ Ich muß ein sündhaftes Geld hinausschmeißen für meine Kleider und für die betrügerischen Bedienten. Ich muß repräsentieren. Wenn ich es nicht tue, gleich drücken mir meine Granden die Preise. Außerdem: ich arbeite wie ein Maulpferd, da will ich auch was davon haben.Und es gibt in diesem Leben nun einmal keinen Spaß ohne Geld. Nicht als ob die Frauen Geld von mir verlangten; aber zuweilen schlafe ich mit großen Damen, und die haben Anspruch darauf, daß ihr Liebhaber auftritt wie ein großer Herr.«
Don Martín wußte, daß Francisco das Herz danach stand, Pracht um sich zu haben und mit Geld um sich zu werfen, daß er aber dann wieder von Gewissensbissen und Anfällen bäuerlichen Geizes heimgesucht wurde. Er brauchte Zuspruch, sein Freund Francisco, und Martín sprach ihm zu. Der Hofmaler Francisco Goya verdiente in einer einzigen Stunde soviel wie ein aragonesischer Schafhirt in einem ganzen Jahr. Kriege er nicht für ein Porträt, das er in zwei Tagen hinhauen könne, viertausend Realen? Ein solcher Goldscheißer brauche keine Bange zu haben für seine Zukunft. »Dein Atelier«, versicherte er Goya, »ist ein besseres finanzielles Fundament als meine Bank in Saragossa.«
Goya wollte mehr dergleichen Tröstliches hören. »Alles schön und gut, Großnase«, sagte er, »aber vergiß nicht die maßlosen Ansprüche, die man in Saragossa an mich stellt, du weißt es ja, vor allem meine Brüder. ›Am fetten Käse freuen sich die Maden‹«, zitierte er bitter das alte Sprichwort. »Meiner Mutter soll natürlich nichts abgehen; erstens liebe ich sie, und zweitens muß die Mutter eines Pintor de Cámara in Wohlstand leben. Aber mein Bruder Tomás ist frech wie eine Ratte. Habe ich ihm nicht die Vergolderwerkstatt in der Calle de Morería eingerichtet? Ihm Aufträge verschafft? Ihm bei seiner Heirat tausend Realen geschenkt und dreihundert bei der Geburt jedes Kindes? Und mit Camilo ist es noch schlimmer. Ich beiße mir die Lippen ab, ehe ich für mich um was bitte, und für ihn habe ich mich gedemütigt und ihm die Pfarrstelle in Chinchón erbeten. Aber er ist nie zufrieden. Heute will er was für die Kirche, morgen für das Pfarrhaus. Wenn ich mit ihm jagen gehe, dann kostet mich ein Hase soviel wie ein Pferd.«
Das alles hatte Martín mehrmals gehört. »Red keinen Unsinn, Francho«, sagte er gutmütig. »Hast du nicht Einkünftewie ein Erzbischof? Gehen wir doch einmal über dein Konto«, schlug er vor. »Du wirst sehen«, prophezeite Goya, »ich habe keine dreißigtausend Realen.« Martín schmunzelte; sein Freund hatte die Gewohnheit, je nach Stimmung die Ziffern hochschwellen oder einschrumpfen zu lassen.
Es ergab sich, daß Goya, abgesehen von Haus und Hausrat, an die achtzigtausend Realen besaß. »Auch das ist jämmerlich«, fand er. »Immerhin«, tröstete Martín, »kann man damit manchen hohlen Zahn füllen.« Er dachte eine Weile nach. »Vielleicht läßt dir die Bank von Spanien Vorzugsaktien ab. Wenn Graf Cabarrús die Bank wieder übernehmen konnte, dann nur durch Vermittlung des Señor Jovellanos, an dessen Rückberufung«, schloß er lächelnd, »du ja nicht ganz unbeteiligt bist.« Goya wollte Einwände erheben, aber: »Verlaß dich darauf, Francho«, versicherte Martín, »ich mache das würdig und delikat.«
Es wurde Francisco frei und wohl, da Martín so gut zuhörte und so verständigen Rat gab. Er schickte sich an, ihm auch das Letzte anzuvertrauen, das Heimlichste, seine Träume um Cayetana. Aber es ging nicht, er fand die Worte
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