Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
nicht. So wie er nicht gewußt hatte, was Farbe ist, bevor er sein Grau entdeckt hatte, so hatte er nicht gewußt, was Leidenschaft ist, ehe er die Alba gesichtet hatte auf ihrer Estrade. Leidenschaft war ein blödes Wort, es drückte nichts aus von dem, dessen er voll war. Es ließ sich eben nicht in Worten sagen, und da war niemand, auch nicht sein Martín, der sein Gestammel würde begreifen können.
    Zur Freude Goyas geschah, noch während Martín in Madrid war, seine Ernennung zum Präsidenten der Akademie. Es erschienen in seinem Hause der Hofmaler Don Pedro Maella und zwei andere Mitglieder der Akademie, um ihm das Dokument zu überreichen. So oft hatten diese Männer ihn über die Achsel angesehen, weil er ihnen nicht klassisch genug nach der Regel malte, und jetzt standen sie da und lasen ihm aus ihrem stolzgesiegelten Pergament feierliche Sätze der Verehrung und des Ruhmes. Er hörte sie mit Lust.
    Zunächst indes ließ, als sich die Deputation entfernt hatte, Francisco seine Frau Josefa und seine Freunde Agustín und Martín nichts von seinen Gefühlen merken, sondern sagte nur verächtlich: »Fünfundzwanzig Dublonen im Jahr trägt die Geschichte. Das bekomme ich für ein einziges Bild. Und dafür soll ich jetzt mindestens einmal die Woche Hoftracht anlegen, mit faden Nichtskönnern langweilige Stunden versitzen, feierlichen Unsinn anhören und selber feierlichen Unsinn von mir geben. ›Viel Ehr, wenig Vorteil‹«, zitierte er das alte Sprichwort.
    Dann aber war er mit Martín allein, und: »Glück und Segen«, sagte herzlich Martín, »Glück und Segen, Señor Don Francisco de Goya y Lucientes, Maler des Königs und Präsident der Akademie von San Fernando. Und möge Unsere Jungfrau del Pilar dich in ihren Schutz nehmen.« – »Und Unsere Jungfrau von Atocha«, setzte Goya eilig hinzu und schaute hinüber zu seiner Jungfrau und bekreuzte sich. Dann aber fingen sie beide zu lachen an und machten großen, freudigen Lärm und schlugen einer dem andern den Rücken. Und dann sangen sie die Seguidilla von dem Bauern, der eine unerwartete Erbschaft gemacht hat, die Seguidilla mit dem Refrain: »Und jetzt tanzen, tanzen, tanzen, / Den Fandango tanzen wir jetzt. / Ja, wer Geld hat, der darf tanzen, / Tanzen darf er den Fandango, / Ob er’s kann, und ob er’s nicht kann.« Und sie tanzten ihren Fandango.
    Als sie zu Ende waren und erschöpft dahockten, hatte Goya eine Bitte an den Freund. Er habe, meinte er, viele Gegner, Abates und Witzbolde, die sich beim Lever großer Damen über seinen dunklen Ursprung lustig machten. Unlängst habe ihm sogar sein frecher Diener Andrés mit hämischer Beiläufigkeit Dokumente vorgelegt, bezeugend, daß er, Andrés, ein Hidalgo sei, ein Hijo de algo, ein Sohn von Jemand, ein Edelmann. Nun wisse Martín ja, daß die Reinheit des Blutes und die altchristliche Abstammung der Familie Goya über allen Zweifel erhaben sei und daß Franciscos Mutter, Doña Ingracia de Lucientes, einer Familie entstamme, die sich bis in die dämmerigenZeiten der Gotenherrschaft zurückverfolgen lasse. Es wäre aber gut, wenn er ein Dokument im Hause hätte, das diese seine reine Abstammung bestätige. Martín möge ihm die Liebe tun und dem Fray Jerónimo zureden, der solle ihm an Hand der Kirchenbücher von Fuendetodos und Saragossa einen Stammbaum seiner Mutter aufzeichnen, auf daß er in Zukunft jedem, der ihn anzweifle, diesen Stammbaum um die Ohren hauen könne.
    Die nächsten Tage brachten viele Gratulanten.
    Es kamen auch, begleitet von dem Abate Don Diego, die Damen Lucía Bermúdez und Pepa Tudó. Goya war überrascht, fühlte sich unbehaglich, redete, gegen seine Gewohnheit, wenig. Zapater schwatzte respektvoll und vergnügt. Agustín, aufgerührt von zwiespältigen Gefühlen, starrte finster auf die schönen Frauen.
    Pepa fand Gelegenheit, mit Francisco allein zu sprechen. Mit ihrer trägen Stimme, ein wenig ironisch, erzählte sie. Sie lebte jetzt in dem kleinen Palais an der Calle de Antorcha, an der Fackelstraße; Don Manuel hatte es für sie aus dem Nachlaß der verstorbenen Condesa Bondad Real erworben. Don Manuel war mehrmals aus dem Escorial nach Madrid gekommen, sie zu besuchen; auch in die Reitbahn seiner Villa hatte er sie eingeladen, um ihr seine Reitkunst vorzuführen. Goya hatte von dem Aufstieg der Señora Tudó bereits gehört, er hatte darüber weghören wollen, jetzt aber mußte er die Geschehnisse wohl zur Kenntnis nehmen.
    Übrigens, berichtete Pepa weiter, habe Don

Weitere Kostenlose Bücher