Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
bereite Dienstwilligkeit; für Martín gewann die trübe Welt Farbe, wenn ihn Goya in die Offenbarungen seines Auges und seiner Brust hineinsehen ließ.
    In den Tagen, die folgten, malte Goya den Freund, es waren gesegnete Tage. Es war Spaß und große Lust, Martín auf der Leinwand entstehen zu lassen, so wie er war, klug, würdig, liebenswert, ein bißchen spießig, warmherzig. Gescheit, mit gemächlicher Heiterkeit, blickten schlaue Augen über fleischigen Backen und der mächtigen Nase. »Das also bin ich«, sagte Martín und schnalzte mit der Zunge.
    Francisco wußte nicht, was schöner war, das Malen oder die langen Pausen, die er mit dem Freund verschwatzte. Gerne dann, unter einem Vorwand, schickte er Agustín weg und legte so recht los. Die alten Erinnerungen rief er herauf, in wahllosem Durcheinander, Mädchen, Geldnöte, Händel mit der Polizei, abenteuerliche Flucht vor der Inquisition, wüste Herausforderungen, gefährliches Geraufe mit Messern und Säbeln, die Zwistigkeiten mit der hochmütigen Familie der Bayeu. In naiver Prahlerei ließ er sich aus über den Unterschied seiner dürftigen Jugend und seiner jetzigen Blüte. Da saß er in seinem soliden, madrilenischen Haus mit den teuren Möbeln und den Kunstgegenständen und mit den livrierten Bediensteten, vornehme Freunde kamen, die er nicht einmal immer vorließ, und er hatte den großartigen Wagen, die vergoldete Berlina englischen Stiles, nur dreie gab es in Madrid. Ja, dieser Wagen, diese Carroza, war Goyas Stolz; der Unterhaltdes Wagens, besonders der Pferde, war teuer in Madrid, doch scheute Goya die Opfer nicht, es lohnte sich. Und wiewohl sich das in der Trauerzeit nicht schickte, fuhr er den Freund im Prado spazieren.
    Zuweilen sangen und musizierten Francisco und Martín, spielten Seguidillas, Tiranas, Boleros, beide liebten sie leidenschaftlich die volkhafte Musik. Sie stritten wohl häufig über den Wert der einzelnen Musikstücke, gewöhnlich überzeugte Francisco den Martín und verhöhnte ihn dann wegen seines langsamen Geschmackes. Auch hänselte er ihn, weil Martín dem Stierkämpfer Costillares anhing; er, Goya, schwor auf Ramiro. Er streute Sand auf den Tisch und zeichnete die beiden Stierkämpfer, einen kleinen, kräftigen Ramiro mit dem eigenen Löwengesicht und einen großen, behäbigen Costillares mit einer ungeheuren Nase, und beide lachten schallend.
    Plötzlich aber, mitten im Lachen, hielt Francisco inne, und sein Gesicht wölkte sich grimmig. »Da lach ich«, sagte er, »und protze vor dir, wie weit ich es gebracht habe. Herrlich weit. Pintor de Cámara bin ich, und in wenigen Tagen Präsident der Akademie, das beste Aug in Spanien hab ich, die meisterlichste Hand, alle beneiden mich, und ich sage dir, Martín: das ist alles Fassade, und dahinter ist Scheiße.«
    Martín kannte die jähen Umschwünge und maßlosen Ausbrüche des Freundes. »Francho, Francho«, versuchte er ihn zu beruhigen, »rede nicht so wild und sündhaft daher!« Francisco blickte schnell hinüber zu Unserer Jungfrau von Atocha, sich bekreuzigend, doch dann fuhr er fort: »Aber es ist wahr, Chico. Alle meine Glücksgüter haben ihre böse Seite, hinter allen stecken die feindlichen Geister und grinsen mich an. Da hab ich das Glück, daß mein Schwager, dieser sauertöpfische Schulmeister, endlich aus der Welt ist: aber die Josefa sitzt mir blaß herum und grämt sich Tag und Nacht. Da hab ich das Glück, daß sich Don Manuel eng mit mir angefreundet hat, und er ist der Mächtigste in Spanien und ein großartiger junger Mann: aber ein Lump ist er auch und ziemlich gefährlich. Und außerdem kratzt mich die Art undWeise, wie er mit mir verfreundet wurde. Ich komme nicht weg über das, was man mir zugemutet hat wegen des Don Gaspar, und dabei kann ich den Tugendbold nicht ausstehen. Und niemand dankt es mir. Die Pepa schaut mich nur höhnisch an aus ihren grünen Augen und tut großartig, als wäre sie von allein hinaufgelangt. Alle wollen was von mir, kein einziger bemüht sich, mich zu begreifen.« Und in heftigen Worten ließ er sich aus über die Unverschämtheit, wie Miguel und Agustín jede zweite Woche kamen und in ihn drängten, er solle sich in die Geschäfte des Königs und des Staates einmengen. Er war Hofmaler, er gehörte zum Hof, und das war gut so, er wollte es so, er war stolz darauf. Mit seiner Malerei leistete er dem Lande größere Dienste als alle die Wichtigmacher und politischen Reformer mit ihrem Maulaufreißen. »Ein Maler hat zu

Weitere Kostenlose Bücher