Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
»und kalt.« Er weckte den Bedienten Andrés. Der brachte zwei silberne Leuchter mit vielen Kerzen und machte Feuer, umständlich, mürrisch. Die Alba, unverschleiert, schaute ihm zu. Sie und Goya schwiegen, solange Andrés im Zimmer war.
Endlich ging der Bursche. Der Raum lag nun in warmem, nicht sehr hellem Licht. Der Gobelin mit der Prozession des riesigen Heiligen und der erregten Menge blieb undeutlich, und undeutlich der kinnbärtige, finstere Kardinal des Velázquez. Die Alba trat näher an das Bild heran. »Wer hatte doch diesen Velázquez vor Ihnen?« fragte sie sich und ihn. »Es ist eine Gabe der Herzogin von Osuna«, antwortete er. »Ja«, sagte sie, »ich erinnere mich, ihn in der Alameda gesehen zu haben. Haben Sie mit ihr geschlafen?« fragte sie unvermittelt mit ihrer etwas harten Kinderstimme, freundlich.
Goya antwortete nicht. Sie stand noch immer vor dem Bild. »Ich habe viel von Velázquez gelernt«, sagte er nach einer Weile, »mehr als von irgendwem sonst.« Sie sagte: »Ich habe einen Velázquez in meinem Landhaus in Montefrio, ein kleines, merkwürdiges Bild, so gut wie unbekannt. Wenn Sie einmal in Andalusien sind, Don Francisco, dann schauen Sie es sich an, bitte. Ich glaube, es würde gut hier hereinpassen.«
Sie betrachtete Skizzen, die auf dem Tisch lagen, Entwürfe zum Porträt der Königin. »Es scheint«, sagte sie, »Sie beabsichtigen, die Italienerin beinahe so häßlich zu malen, wie sie ist. Erlaubt sie das?« – »Da Doña María Luisa gescheit ist«, antwortete Goya, »wünscht sie ihre Bilder ähnlich.« – »Ja«, meinte die Alba, »wenn eine Frau so ausschaut, muß sie wenigstens gescheit sein.«
Sie setzte sich auf den Diwan. Bequem zurückgelehnt saß sie, klein, mattbräunlichen Gesichtes, nur sehr leicht gepudert. »Ich glaube, ich werde Sie als Maja malen«, sagte er. »Oder doch nicht. Ich möchte nicht wieder Gefahr laufen, Sie maskiert zu malen. Ich muß darauf kommen, welches die wirkliche Cayetana ist.« – »Sie werden nie darauf kommen«, verhieß die Alba. »Übrigens weiß ich es selber nicht. Ich glaube ernstlich, am ehesten noch bin ich eine Maja. Ich kümmere mich nicht um das, was die andern denken, und ist das nicht die Art der Majas?«
»Stört es Sie, wenn ich Sie so anschaue?« fragte er. Sie sagte: »Ich nehme es Ihnen nicht übel, da Sie Maler sind. Sind Sie übrigens nur Maler? Immer nur Maler? Ein bißchen redseliger könnten Sie sein.« Er schwieg weiter. Sie kam zurück auf ihre früheren Worte: »Ich bin erzogen zur Maja. Mein Großvater ließ mich nach den Prinzipien Rousseaus erziehen. Wissen Sie, wer Rousseau war, Don Francisco?« Goya war mehr amüsiert als gekränkt. »Meine Freunde«, antwortete er, »lassen mich zuweilen in der Encyclopédie lesen.« Sie sah flüchtig auf. Die Encyclopédie war der Inquisition besonders verhaßt; das Werk zu besitzen, darin zu lesen, war schwierig und gefährlich. Aber sie ging nicht auf seine Worteein, sondern erzählte weiter: »Mein Vater starb sehr früh, und mein Großvater ließ mir jede Freiheit. Außerdem besucht mich ja zuweilen die tote Zofe meiner Großmutter und sagt mir, was ich tun soll und was nicht. Ernstlich, Don Francisco, Sie sollten mich als Maja malen.«
Goya stocherte im Feuer des Kamins. »Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte er. »Weder halten Sie sich für eine Maja, noch führen Sie nächtliche Gespräche mit der toten Zofe.« Er wandte sich und schaute herausfordernd in ihr Gesicht. »Ich sage, was ich denke, wenn es mir Spaß macht. Ich bin ein Majo, obwohl ich zuweilen in der Encyclopédie lese.« – »Ist es wahr«, fragte freundlich gleichmütig die Alba, »daß Sie vier oder fünf Menschen umgebracht haben, bei Stechereien oder aus Eifersucht? Und mußten Sie nach Italien fliehen, weil die Polizei Sie suchte? Und haben Sie wirklich die Nonne in Rom entführt, so daß nur unser Gesandter Ihnen heraushelfen konnte? Oder haben Sie das alles nur in Umlauf gebracht, um sich interessant zu machen und mehr Aufträge zu bekommen?«
Goya sagte sich, die Frau sei schwerlich um diese Stunde in sein Atelier gekommen, nur um ihn zu kränken. Sie wollte ihn klein machen, damit sie selber sich später, nachher, nicht klein vorkomme. Er bezwang sich und antwortete ruhig, freundlich, spaßhaft: »Ein Majo liebt große Worte und Prahlereien. Das muß Ihnen doch bekannt sein, Frau Herzogin.« – »Wenn Sie mich noch einmal Frau Herzogin nennen, gehe ich!« antwortete die Alba. »Ich
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