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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gehört sich’s noch weniger.« Und ein Bursche an einem andern Tisch vermutete: »Vielleicht ist die Dame eine Gabacha.«
    Francisco hatte Cayetana vorhergesagt, ihre Mantilla werde böses Blut machen. Er kannte seine Majos, er gehörte zu ihnen. Sie steckten keinen zudringlichen Blick ein, sie hielten sich für die besten Spanier, die spanischsten, und waren nicht gewillt, die herablassende Neugier Fremder zu dulden. Wer zu ihnen kam, in ihre Schenken, mußte sich ihren Bräuchen fügen und sein Gesicht zeigen.
    Der mit der Guitarre hatte aufgehört zu spielen. Alle schauten auf Goya. Er durfte jetzt unter keinen Umständen nachgeben. »Wer hat das von der Gabacha gesagt?« fragte er. Er hob nicht den Ton, er sprach gleichmütig, zwischen zwei Zügen an seiner Zigarre. Ein kleines Schweigen war. Die Wirtin, die dralle Rosalía, sagte zu dem mit der Guitarre: »Sei nicht faul, spiel einen Fandango.« Aber Francisco wiederholte: »Wer hat das von der Gabacha gesagt?« – » Ich habe es gesagt«, sagte der Majo. »Wirst du die Señora um Entschuldigung bitten?« fragte Goya. »Das braucht er nicht«, sagte ein anderer, »da sie die Mantilla nicht heruntergelassen hat.« Daswar richtig, aber Goya durfte es nicht zugeben. »Wer hat dich um deine Meinung gefragt?« sagte er vielmehr, und: »Sei du ganz still«, fuhr er fort, »oder ich zeige dir, daß ich meinen Fandango auf der Leiche eines jeden tanzen kann.« Das war so recht eine Wendung, wie sie in die Manolería paßte, sie erfreute das Herz der Anwesenden. Aber der Bursche, der die Alba eine Gabacha genannt hatte, sagte: »Ich zähle jetzt bis zehn. Und wenn du dann die Deinige nicht dazu gebracht hast, daß sie den hochmütigen Schleier heruntertut, dann, du Menschenfreund, der du mich bisher verschont hast, kriegst du einen Tritt, daß du bis nach Aranjuez fliegst.«
    Goya sah, daß jetzt eine Tat von ihm erwartet wurde. Er stand auf, die Capa, der lange Mantel, glitt vollends herunter, er fühlte nach seiner Navaja, nach dem Messer.
    Da aber erhob sich ein großer, überraschter Ruf. Die Alba hatte die Mantilla abgenommen. »Die Alba«, rief man, »unsere Alba.« Und der Bursche sagte: »Entschuldigen Sie, Señora. Sie sind weiß Gott keine Gabacha, Señora. Sie gehören zu uns.«
    Goya war die Huldigung und Anbiederung noch mehr zuwider als das Gezänk vorher. Denn leider stimmte das nicht, was der Bursche sagte: die Alba gehörte nicht hierher. Sie war bestenfalls eine Dame vom Hof, die eine Maja spielte. Er schämte sich vor den echten Majas, daß er sie hierhergebracht hatte. Gleichzeitig dachte er daran, daß er selber, Francisco Goya, für die Volksszenen seiner Gobelins keine Majas gemalt hatte, sondern kostümierte Herzoginnen und Gräfinnen, und er ärgerte sich noch tiefer.
    Sie schwatzte mit den andern, auf deren Art. Die Worte flogen ihr vom Mund, unbefangen, liebenswürdig, und außer ihm schien niemand zu spüren, daß ihr Gehabe nicht echt war, daß Herablassung dahinter stak, Leutseligkeit.
    »Gehen wir«, sagte er plötzlich, es kam herrischer, als er’s gewollt hatte.
    Für einen Augenblick schaute die Alba überrascht hoch. Sogleich aber, freundlich überlegen, mit winzigem Spott, erklärte sie den andern: »Ja, Señores, wir müssen leider aufbrechen.Der Herr Hofmaler erwartet einen großen Herrn, der sich porträtieren lassen will.« Man lachte. Die Absurdität dieser Entschuldigung amüsierte alle. Er war voll hilfloser Wut.
    Man holte eine Sänfte. »Kommen Sie bald wieder«, rief man ihr nach, herzlich, voll Anerkennung.
    »Wohin gehen wir?« fragte er, bitter. »In Ihr Atelier natürlich«, erwiderte sie, »wo Sie Ihr Modell erwarten.«
    Ihre Versprechung nahm ihm den Atem. Aber sie war so wankelmütig; vielleicht änderte sie noch unterwegs ihren Sinn.
    Erregt, voll ohnmächtiger Wut über das Vorhergegangene, ihre Launen und seine Hilflosigkeit, hin und her geworfen von Ärger, Erwartung, Leidenschaft, ging er neben ihrer Sänfte durch die Nacht. Nun ließ sich gar noch ein Klingeln hören, ein Priester kam mit dem Viaticum. Die Träger stellten die Sänfte ab, die Alba stieg aus, er breitete sein Taschentuch hin für sie, und alle knieten nieder, bis der Priester und der Knabe vorbei waren.
    Endlich waren sie an seinem Hause angelangt. Der Sereno, der Blockwart, öffnete. Sie stiegen hinauf ins Atelier. Goya, nicht sehr geschickt, zündete Kerzen an. Die Alba saß in einem Sessel, lässig. »Es ist dunkel hier«, stellte sie fest,

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