Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Inquisition enthüllt, auf riesigen Tribünen saßen die zivilen und die geistlichen Würdenträger. Jeder einzelne Verbrecher wurde aufgerufen und vorgeführt, angetan mit dem Schandhemd und dem hohen, spitzen Ketzerhut, sein Urteil wurde ihm mit schallender Stimme verkündet. Zum Quemadero, zum Verbrennungsplatz, wurden die Verurteilten mit großem Aufgebot von Militär geführt. Der Verbrennung der Ketzer schaute die Menge mit einer Gier zu, welche die Entzückungen des Stierkampfes übertraf, und wenn zu viele Sünder nach der Verurteilung bereut hatten, so daß sie mit der Erdrosselung davonkamen und nicht brennen mußten, dann murrten die Zuschauer.
Häufig wurden solche »Glaubensakte« gehalten zur Feier freudiger Ereignisse, der Thronbesteigung oder Hochzeit eines Königs oder der Geburt eines Thronfolgers; dann wurdeder Scheiterhaufen von einem Mitglied der königlichen Familie angezündet.
Über jedes Autodafé wurden Berichte veröffentlicht, die von kundigen geistlichen Schriftstellern verfaßt waren. Diese Berichte waren sehr beliebt. Da erzählt etwa der Padre Garau von einem Autodafé auf der Insel Mallorca. Wie da drei verstockte Sünder den Feuertod fanden und wie sie, als die Flammen sie erreichten, verzweifelt vom Pfahl los wollten. Der Ketzer Benito Terongi riß sich wirklich los, doch nur um in die Flammen zu seiner Linken zu fallen. Seine Schwester Catalina, die sich vorher gerühmt hatte, sie werde sich selber in die Flammen stürzen, schrie und winselte, man solle sie losbinden. Der Ketzer Rafael Valla stand zuerst bewegungslos wie eine Statue im Rauch, aber als die Flammen ihn berührten, wand und krümmte er sich. Er war fett und rosig wie ein zullendes Ferkel, und als man außen an seinem Körper keine Flammen mehr sah, brannte er innen weiter, sein Leib brach auf, seine Eingeweide fielen heraus wie die des Judas. Das Büchlein des Padre Garau »La Fe Triunfante«, »Der triumphierende Glaube«, hatte besondern Erfolg, es erreichte vierzehn Auflagen, eine letzte in den Zeiten Francisco Goyas.
Manche unter den Inquisitoren wurden von reinem Eifer für den Glauben getrieben, andere nützten ihre Autorität zur Befriedigung ihrer Machtgier, Habsucht, Fleischeslust. Die Erzählungen entkommener Opfer mögen übertrieben sein, doch zeigt das Manuale der Inquisition, ihre Prozeßordnung, wie leicht es den geistlichen Richtern gemacht war, nach Belieben vorzugehen, und die Akten beweisen, wie willkürlich sie verfuhren.
Die Inquisition rühmte sich, sie habe, alle hispanischen Menschen im katholischen Glauben vereinigend, die Halbinsel vor den Glaubenskriegen bewahrt, welche das übrige Europa heimsuchten. Aber dieses Erreichnis war teuer erkauft. Die Inquisition hatte den Spaniern die Überzeugung beigebracht, wichtiger als ein sittlicher Lebenswandel sei der unerschütterliche Glaube an das Dogma. Die Ausländer, die Spanien bereisten,bekundeten beinahe übereinstimmend, daß gerade in dem Lande der Inquisition die Religion wenig zu tun habe mit der Moral und daß brünstiger Eifer fürs Dogma oft verbunden sei mit unsittlichem Wandel. Häufig bestrafte das Heilige Gericht Verbrechen, die der ganzen Welt als abstoßend galten, etwa die Verführung von Beichtkindern während der Beichte, mit Nachsicht. Kleinste technische Verstöße gegen das Dogma aber wurden in allen Fällen mit Härte geahndet. In Córdoba zum Beispiel wurden in einer einzigen Verhandlung hundertsieben Menschen, Männer, Frauen und Kinder, zum Scheiterhaufen verurteilt, weil sie der Predigt eines gewissen Membreque beigewohnt hatten, der als Ketzer befunden worden war.
Um die Zeit, da Goya geboren wurde, waren eine Reihe von Judaisantes, unter ihnen ein achtzehnjähriges Mädchen, wegen der Ausübung einiger jüdischer Bräuche in einem besonders prunkvollen Autodafé verbrannt worden. Montesquieu, der größte Schriftsteller des damaligen Frankreich, legt einem der Beklagten eine von ihm verfaßte Verteidigungsrede in den Mund: »Ihr werft den Mohammedanern vor«, heißt es da, »sie hätten ihre Religion mit dem Schwerte verbreitet: warum verbreitet ihr die eure mit dem Feuer? Um die Göttlichkeit eurer Religion zu erweisen, macht ihr viel Wesens von dem Blut eurer Märtyrer; jetzt aber habt ihr selber die Rolle des Diokletian übernommen, und die Märtyrerrolle übertragt ihr uns. Ihr verlangt, daß wir Christen werden, und ihr selber verzichtet darauf, es zu sein. Wenn ihr aber schon keine Christen seid, so tut doch
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