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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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glaube nicht, daß Sie gehen werden, Frau Herzogin«, sagte Goya. »Ich glaube, Sie sind darauf aus, mich« – er suchte nach einem Wort –, »mich kaputtzumachen.« – »Warum sollte ich dich denn kaputtmachen wollen, Francho?« fragte sanft die Alba. »Das weiß ich nicht«, sagte Goya. »Woher soll ich wissen, was Sie wollen macht?« – »Das klingt nach Philosophie und Ketzerei«, sagte die Alba. »Ich fürchte, du bist ein Ketzer, Francho. Ich fürchte, du glaubst mehr an den Teufel als an Gott.« – »Wenn mit einem von uns«, antwortete Goya, »dann müßte sich die Inquisition mitIhnen befassen.« – »Die Inquisition befaßt sich nicht mit der Herzogin von Alba«, antwortete sie so selbstverständlich, daß es nicht einmal hochmütig klang. »Übrigens«, fuhr sie fort, »darfst du es nicht zu ernst nehmen, wenn ich dir manchmal böse Dinge sage. Mehrmals habe ich zur Virgen del Pilar gebetet, sie möge alles Freundliche auf dich herunterschicken, Francho, weil der Teufel dich so bitter zu quälen scheint. Aber« – und sie schaute hinüber zu dem Holzbild der Señora de Atocha – »du vertraust ja nicht mehr auf die Virgen del Pilar. Dabei hast du es früher bestimmt mehr als andere getan, da du von Saragossa bist. Treulos bist du also auch.«
    Sie war aufgestanden und vor die uralte, bräunlichschwarze Holzfigur getreten, sie auf und ab schauend. »Aber ich will nicht unehrerbietig von der Virgen de Atocha reden«, sagte sie, »und schon gar nicht von dieser, die Ihre Schutzheilige ist. Sicher hat auch sie viel Macht, und keinesfalls darf man sie kränken.«
    Und sie hüllte sorgsam, zärtlich,
    Ihren schwarzen, großen Schleier,
    Die Mantilla, um das schwarze
    Holzbild Unserer Señora
    De Atocha, auf daß diese
    Nicht vor Augen habe, was sich
    Nun begab. Aus ihren schwarzen
    Haaren nämlich zog sie jetzt den
    Hohen Kamm und schlüpfte aus den
    Hohen Schuhen. Kleiner war sie
    Nunmehr. Überflackert von dem
    Feuer des Kamines zog sie
    Dann den schweren Rock aus, ernsthaft,
    Sachlich, schamlos, und das bunte
    Mieder.

Zweiter Teil

1
    Im Jahre 1478 hatten die katholischen Herrscher Ferdinand und Isabella ein Sondertribunal eingesetzt zur Verfolgung aller Verbrechen gegen die Religion. Das war geschehen nach der Niederkämpfung der Araber, als es galt, die mühsam hergestellte Einheit des Reiches durch die Einheit des Glaubens zu wahren. » Eine Herde, ein Hirt, ein Glaube, ein König, ein Schwert«, hatte damals der Dichter Hernando Acuña gesungen.
    Dieses geistliche Gericht, die Inquisition, das Heilige Offizium, hatte seine Pflicht getan. Ausgespäht, ausgetrieben, ausgetilgt waren die Araber und Juden, desgleichen alle jene, die ihre subversive Gesinnung hinter der Maske des katholischen Glaubens zu verbergen gesucht hatten: die heimlichen Mauren und Juden, die Moriscos, die Judaisantes, die Marranen.
    Aber als die Inquisition diese ihre Aufgabe erfüllt hatte, war sie zu einer selbständigen Macht innerhalb des Staates geworden. Zwar beschränkte sich dem Namen nach ihre Tätigkeit auf die Ausfindung und Bestrafung der Ketzerei. Aber was alles war nicht Ketzerei? Ketzerei war zunächst jede Ansicht, die gegen ein Dogma der katholischen Kirche verstieß, und somit fiel der Inquisition die Aufgabe zu, alles Geschriebene, Gedruckte, Gesprochene, Gesungene und Getanzte zu zensieren. Ketzerei war weiterhin jede für die Allgemeinheit wichtige Tätigkeit, wenn sie von dem Abkömmling eines Ketzers ausgeübt wurde. Somit hatte das Heilige Offizium die Pflicht, die Reinblütigkeit aller derer nachzuprüfen, die um ein Amt nachsuchten. Jeglicher Anwärter mußte seine »limpieza« erweisen, seine Abstammung von altchristlichenEltern und Ureltern; es durfte unter seinen Ahnen kein Maure oder Jude gewesen sein. Solche Gutachten ausstellen konnte nur die Inquisition. Sie konnte die Untersuchung nach Belieben hinausziehen, sie konnte dafür beliebig hohe Gebühren berechnen, die letzte Entscheidung, ob ein Spanier im Staatsdienst beschäftigt werden konnte, war in ihre Hand gegeben. Ketzerei war aber auch Fluchen, die Darstellung des Nackten, Bigamie, unnatürliche Unzucht. Ketzerei war Wucher, da er in der Bibel verboten war. Sogar der Pferdehandel mit Nichtspaniern war Ketzerei, weil solcher Handel den Ungläubigen jenseits der Pyrenäen Vorteile bringen konnte.
    Durch solche Interpretierung ihres Amtsbereiches riß die Inquisition immer mehr Rechte der Krone an sich und untergrub die Autorität des

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