Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
bereit, dafür zu zahlen.
Sein Glück übertrug sich auch auf seine Arbeit, er malte viel und mit Lust. Seine Hand war leicht, sein Blick schnell, scharf, genau. Er malte ein Porträt des Herzogs de Castro Terreno, ein Bild Don Miguels, ein Bild des Abate; auch Don Manuel hatte noch zwei Porträts bestellt, in andern Posen.
Und dann malte er ein Bild, das ihm niemand in Auftrag gegeben hatte, ein Bild nur sich selber zur Freude, ein schwieriges Bild, das umständliche Kleinmalerei erforderte, eine Romería, eine Wallfahrt zu Ehren des Heiligen Isidro, des Patrons der Hauptstadt.
Fröhliche Wallfahrten zur Wiese und zur Einsiedelei des Heiligen Isidro waren eine beliebte Unterhaltung der Madrilenen; er selber, Francisco, hatte anläßlich der letzten glücklichen Entbindung seiner Josefa auf der Wiese des Isidro ein Fest gegeben für dreihundert Freunde, man hatte Truthahn gegessen und Messe gehört, wie es üblich war. Solche Romerías zu malen hatte die Künstler der Hauptstadt von jeher gereizt, Maella hatte es getan, sein Schwager Bayeu, er selber hatte ein Volksfest des Heiligen Isidro dargestellt, vor zehn Jahren, als er für die Gobelin-Manufaktur des Königs gearbeitet hatte. Aber die Festfreude jenes Gobelins war die künstliche Heiterkeit maskierter Kavaliere und Damen gewesen; jetzt malte er seine eigene urtümliche Freude und die seines Madrid.
Weit im Hintergrunde hebt sich
Die geliebte Stadt, ein Wirrwarr
Weißer Häuser, mit dem Schloß, mit
Türmen, Kirchenkuppeln; vorne
Aber, friedevoll, erglänzt der
Manzanares, und an seinen
Ufern freut Madrid sich seines
Schutzpatrones. Da sind viele,
Die gemächlich sich ergehen,
Wagen auch und Reiter, eine
Menge winziger Figuren,
Jede einzelne gemalt mit
Sorgfalt. Andre sitzen, liegen,
Essen, trinken, schwatzen, liebeln,
Mädchen, Burschen, wohlbehäb’ge
Bürgersleute, Kavaliere,
Über ihnen unbeschwerte,
Heitre Helle. Goya malte
Alle Freude seines unge-
Trübten Herzens, alle sichre
Kunst der Hand, des scharfen Auges
In das Bild hinein. Er hatte
Abgeschüttelt jene strenge
Lehre von der Linie, die so
Lange ihn beengt, er war jetzt
Frei, er war jetzt glücklich, und in
Seiner Romería wurde
Alles Sicht und Licht und Farbe.
Vorn das Volk, der Fluß, die weiße,
Breite Stadt Madrid dahinter
Wurden eines ; Luft und Stadt und
Menschen woben ineinander,
Farbig, locker, leicht und hell und
Glücklich.
5
Francisco erhielt ein Schreiben des Don Gaspar Jovellanos mit einer höflich dringenden Einladung »zum Tee«. Die Liberalen nämlich bevorzugten den Tee vor der aristokratisch reaktionären Schokolade; hatte doch die Vorliebe für den Tee und die Auflehnung gegen seine Verteuerung durch den Absolutismus den amerikanischen Kolonien Englands Revolution und Freiheit gebracht.
Goya liebte nicht das laue Getränk und nicht den pedantisch feurigen Jovellanos. Aber es ging nicht wohl an, nein zu sagen, wenn ein Mann wie Jovellanos mit so höflicher Strenge einlud.
Es war eine kleine Gesellschaft, die sich bei Jovellanos eingefunden hatte. Da war Don Miguel Bermúdez und Graf Cabarrús, der große Finanzmann, natürlich auch Don Diego, der Abate. Der einzige Gast, den Goya nicht kannte, war der Anwalt und Schriftsteller José Quintana. Doch waren ihm wie jedermann Quintanas Verse geläufig; der Dichter sollte sie als Sechzehnjähriger geschrieben haben. Heute noch schien er sehr jung, schwerlich älter als zwanzig oder einundzwanzig. Goya, selber langsam gereift, hatte Mißtrauen vor Leistungen, in solcher Jugend erreicht; aber der bescheidene und gleichwohl lebhafte José Quintana gefiel ihm.
An der Wand hing ein großes Porträt des Hausherrn, Goya hatte es gemalt, gleich nachdem er nach Madrid gekommen war, vor etwa zwanzig Jahren. Da saß an einem zierlich einfachen Schreibtisch ein geleckter, verbindlicher Jovellanos. Der Mann, seine Kleidung, seine Möbel hatten etwas Gesuchtes, Affektiertes; nichts war an ihm von der finstern Tugendhaftigkeit des Jovellanos von heute. Vielleicht war er damals sehr viel milder gewesen, doch so glatt und freundlich bestimmt nicht, und so glatt und falsch hätte auch der junge Francisco Goya ihn nicht sehen dürfen.
Man sprach, wie Goya es erwartet hatte, von Politik. Man tadelte heftig die Haltung des Príncipe de la Paz. Gewiß, der Minister war überaus selbstbewußt; Goya hatte gerade jetzt, da ihm Don Manuel posierte, Gelegenheit, aus nächster Nähe zu beobachten, wie selbstgefällig
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