Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
durch den fanatischen Kardinal-Erzbischof von Toledo ersetzt worden, den finstern Francisco de Lorenzana. Mit Billigung der Regierung hatte das Heilige Offizium als gottlos, als »Philosophismus«, jegliche Geistesrichtung verfolgt, welche Sympathien mit französischen Theorien bekundete, und das Verfahren gegen zahlreiche Afrancesados eröffnet. Nun aber hatte man mit der Republik Frieden geschlossen, ja, man trug sich mit dem Plan einer Allianz, die Freigeister gewannen wieder die Oberhand, die neu erworbene Macht der Inquisition war gefährdet.
    Lorenzana, ein kluger Politiker und Ränkespinner, traf Vorsorge. Beinahe alle Minister und hohen Räte, Don Manuel an ihrer Spitze, waren des »Philosophismus« verdächtig und des »Naturalismus«, der Gleichsetzung Gottes und der Natur. Lorenzana sammelte Material gegen die Herren, in den Archiven seiner Tribunale häuften sich die Anzeigen. Freiwillige und bezahlte Helfer spähten das Leben des Príncipe de la Paz aus, die Freundschaft gewisser Prälaten mit Pepa Tudó tat das übrige, jeder Tag und jede Nacht des Ersten Ministers wurde sorglich verzeichnet in den Registern des Heiligen Offiziums. Genau prüfte und maß der Großinquisitor, wie die Beziehungen des Günstlings zu der Königin wärmer wurden und kälter, je nach der Temperatur seiner Liebschaft mit Pepa Tudó. Er kam zu dem Schluß, daß die Stellung Don Manuels nicht so stark, die des Heiligen Offiziums keineswegs so schwach war, wie man gemeinhin annahm.
    Er stieß vor gegen den gottlosen Ministerpräsidenten, schlug zurück gegen die Ketzer. In mehreren Provinzhauptstädten eröffnete die Inquisition Verfahren wegen Philosophismus gegen Männer von großem Ansehen, Professoren, hohe Staatsbeamte. Man verhaftete und verurteilte den früheren Gesandten in Frankreich, Grafen de Azora, den PhilologenYeregui, der unter dem Dritten Carlos Hofmeister der königlichen Infanten gewesen war, den berühmten Mathematiker der Universität Salamanca, Luis de Samaniego.
    Gespannt wartete der Großinquisitor, ob der Erste Minister einschreiten, ob er versuchen werde, ihm diese seine Genossen in der Freigeisterei zu entreißen. Don Manuel wagte es nicht. Er erhob beim Heiligen Offizium halbherzige Vorstellungen, man möge die Strafe dieser Männer mit Milde vollziehen, da sie sich um die Krone verdient gemacht hätten.
    Lorenzana holte zum entscheidenden Schlag aus: zur Vernichtung eines Führers der Freidenker, der überall in Europa berühmt war, des Schriftstellers und Staatsmannes Olavide.
    Don Pablo Olavide war geboren zu Lima in Perú. Er galt als Wunderkind und wurde in sehr jungen Jahren zum Richter bestellt. Als ein furchtbares Erdbeben die Stadt Lima zerstörte, wurde ihm die Verwaltung der Güter und Gelder anvertraut, deren Besitz durch den Untergang der Inhaber strittig geworden war. Jene Gelder, deren Erben sich nicht zur Genüge legitimieren konnten, verwandte der sehr junge Herr zum Bau einer Kirche und eines Theaters. Dieses verdroß den Klerus. Mit Unterstützung mächtiger peruanischer Geistlicher wandten sich diejenigen Erben, deren Ansprüche zurückgewiesen worden waren, klageführend nach Madrid. Olavide wurde nach Madrid berufen, vor Gericht gestellt, seines Amtes entsetzt, in mehreren Fällen für schadenersatzpflichtig erklärt, zu Gefängnis verurteilt. Bald wegen Kränklichkeit entlassen, wurde er von den Aufgeklärten des Landes als Märtyrer gefeiert. Eine sehr vermögende Witwe heiratete ihn. Er erlangte den Erlaß der noch nicht verbüßten Strafe. Ging auf Reisen. War häufig in Paris. Erwarb ein Palais in der spanischen, eines in der französischen Hauptstadt. Schloß Freundschaft mit Voltaire, mit Rousseau, wechselte Briefe mit ihnen. Unterhielt ein Theater in Paris, wo er die modernen französischen Stücke in seiner eigenen Übersetzung aufführte. Carlos’ des Dritten liberaler Ministerpräsident Arandaholte in wichtigen Angelegenheiten seinen Rat ein. Europa sah in Pablo Olavide einen der führenden progressiven Geister.
    Nun gab es auf dem Südabhang der Sierra Morena weite Strecken Landes, die, früher kultiviert, durch die Vertreibung der Mauren und Morisken verödet waren. Die Mesta, eine Vereinigung von Viehzüchtern, hatte erwirkt, daß diese Ländereien ihr unentgeltlich als Weideplätze für ihre großen, wandernden Schafherden überlassen blieben. Jetzt, auf Betreiben Olavides, entzog die Regierung der Mesta dieses Privileg und ermächtigte Olavide, auf dem Ödland

Weitere Kostenlose Bücher