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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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haben?«
    »Autsch.«
    »Tschuldigung.« Sie schwieg kurz, verschränkte die Arme über der Brust, als ob ihr kalt wäre. »Ich plapper rum wie ein dummes Blondchen. Ich kann einfach nichts dagegen machen.«
    »Du hast dich überhaupt nicht verändert, Luce.«
    »Oh, doch, Cope. Ich hab mich verändert. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich verändert habe.«
    Wir sahen uns zum ersten Mal richtig in die Augen. Ich kann nicht gut in den Augen von Menschen lesen. Ich habe zu viele gute Lügner gesehen, um meinem Urteil in dieser Beziehung zu vertrauen. Aber ihre Augen erzählten mir eine lange Geschichte. Und es lag viel Schmerz in dieser Geschichte.

    Ich wollte nicht, dass Lügen zwischen uns standen.
    »Weißt du, was ich beruflich mache?«, fragte ich.
    »Du bist Bezirksstaatsanwalt. Das hab ich im Internet gesehen.«
    »Genau. Damit habe ich Zugang zu vielen Daten. Eine von meinen Ermittlerinnen hat kurz deinen Background überprüft.«
    »Verstehe. Dann weißt du von der Trunkenheit am Steuer.«
    Ich sagte nichts.
    »Ich habe zu viel getrunken, Cope. Mach ich immer noch. Aber ich fahr hinterher nicht mehr Auto.«
    »Das geht mich nichts an.«
    »Nein, tut es nicht. Aber ich bin froh, dass du es mir erzählt hast.« Sie lehnte sich zurück und legte die Hände in den Schoß. »Also erzähl mir, was passiert ist, Cope.«
    »Vor ein paar Tagen haben mir ein paar Detectives von der Mordkommission in Manhattan ein unbekanntes, männliches Opfer gezeigt«, sagte ich. »Ich glaube, dass dieser Mann – nach Angaben der Detectives ein Enddreißiger – Gil Perez war.«
    Ihr fiel der Kiefer herunter. »Unser Gil?«
    »Ja.«
    »Wie soll das denn gehen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann war er die ganze Zeit am Leben?«
    »Offensichtlich.«
    Sie sah zu Boden und schüttelte den Kopf. »Warte. Hast du seine Eltern darüber informiert?«
    »Die Polizei hat sie zu einer Identifikation vorgeladen.«
    »Was haben sie gesagt?«
    »Dass es nicht Gil ist. Dass Gil vor zwanzig Jahren gestorben ist.«
    Sie ließ sich in ihren Stuhl zurückfallen. »Wow.« Ich sah, wie sie auf ihrer Unterlippe herumklopfte, während sie darüber
nachdachte. Noch so eine Geste, die ich schon von damals aus dem Ferienlager kannte. »Und was hat Gil die ganze Zeit gemacht?«
    »Moment, willst du mich nicht erst einmal fragen, ob ich mir sicher bin, ob er das war?«
    »Natürlich bist du dir sicher. Sonst hättest du das nicht gesagt. Also lügen seine Eltern. Oder sie haben es verdrängt?«
    »Ja.«
    »Was von beidem?«
    »Ich weiß es nicht genau. Ich vermute aber, dass sie lügen.«
    »Dann müssen wir sie mit ihrer Lüge konfrontieren.«
    »Wir?«
    »Ja. Was weißt du noch über Gil?«
    »Nicht viel.« Ich beugte mich vor. »Was ist mir dir? Was ist dir passiert?«
    »Meine Studenten schreiben Erlebnisberichte. Sie schicken sie anonym ein. Ich habe einen bekommen, der ziemlich genau das beschreibt, was wir damals getan und erlebt haben.«
    Ich dachte, ich hätte mich verhört. »Ein Erlebnisbericht von einem Studenten?«
    »Ja. Viele Details haben gestimmt. Dass wir in den Wald gegangen sind. Dass wir da rumgeknutscht haben. Dass wir den Schrei gehört haben.«
    Ich begriff es immer noch nicht richtig. »Ein Erlebnisbericht von einem deiner Studenten?«
    »Ja.«
    »Und du hast keine Ahnung, wer ihn geschrieben hat?«
    »Nein.«
    Ich überlegte. »Wer kennt deine wahre Identität?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe auch meine Identität nicht geändert, sondern nur einen anderen Namen angenommen. So schwer ist das nicht rauszukriegen, wer ich bin.«
    »Und wann hast du diesen Erlebnisbericht gekriegt?«

    »Am Montag.«
    »Also am Tag nachdem Gil ermordet worden ist.«
    Wir schwiegen und ließen das sacken.
    Ich fragte: »Hast du diesen Bericht hier?«
    »Ich hab dir eine Kopie gemacht.«
    Sie reichte mir die Papiere über den Schreibtisch. Ich las den Bericht. Er versetzte mich zurück in die Vergangenheit. Es tat weh, das zu lesen. Ich fragte mich, inwiefern die Herzensangelegenheiten zutrafen, ob es stimmte, dass sie nie über den mysteriösen »P« hinweggekommen war. Aber als ich ihn wieder auf den Schreibtisch legte, sagte ich als Erstes: »So ist das aber nicht gewesen.«
    »Ich weiß.«
    »Aber es ist ziemlich nah dran.«
    Sie nickte.
    »Vor ein paar Tagen habe ich eine junge Frau kennengelernt, die mit Gil befreundet war. Sie sagte, sie hätte gehört, dass er von uns gesprochen hat. Er soll gesagt haben, dass wir gelogen

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