Grabesdunkel
hatte angedeihen lassen, die zahllosen Male, die ihr GroÃvater sich an ihr vergangen hatte. Und ob es wirklich eine Himmelspforte gab, wo man eingelassen wurde, wenn die Leiden vorüber waren. Joakim hatte ein eher problematisches Verhältnis zu Gott.
Erst ganz am Ende der Zeremonie entdeckte Joakim den Professor. Er stand direkt am Ausgang, vermutlich, um sich den Fluchtweg offen zu halten. Joakim erhob sich vorsichtig von seinem Platz und versuchte unbemerkt hinauszugelangen. Als er sein Ziel schon fast erreicht hatte, sah Kato Zetterstrøm ihn und verlieà sofort die Kirche.
Der Professor lief zu seinem Auto. Joakim sprintete hinter ihm her. Er konnte gerade noch verhindern, dass Zetterstrøm die Tür seines grauen Honda zuschlug, indem er den Fuà dazwischenschob.
»Zwei Minuten«, schnaufte Joakim. »Ich brauche nur zwei Minuten.«
Kato Zetterstrøm schien erst jetzt den Journalisten wiederzuerkennen, der ihn vor einigen Tagen im Büro des Anwalts Martin Tollefsen interviewt hatte.
»Ach, Sie sind das â¦Â«, sagte er. Dann machte er ihm ein Zeichen, sich ins Auto zu setzen, und fuhr los.
Kapitel 42
Kato Zetterstrøm hielt auf einem Parkplatz vor einem Geschäft ganz in der Nähe.
»Sie wollten nicht gesehen werden?«, fragte Joakim.
»Ich wollte Rücksicht auf die trauernden Eltern nehmen«, erwiderte Kato Zetterstrøm.
Er erzählte, dass er die letzte Nacht im Hotel verbracht hatte, weil seine Frau ihn darum gebeten hatte. Obwohl sie von seiner Unschuld überzeugt sei, was die Mordanklage anging, wisse sie nicht, ob sie damit leben könne, dass er ein sexuelles Verhältnis zu einer seiner Studentinnen gehabt hatte.
»Warum haben Sie nicht sofort alles erzählt?«, fragte Joakim.
»Was meinen Sie mit alles?«
»Warum haben Sie der Polizei nicht gesagt, dass Sie am Mordtag bei Helle waren?«
Zetterstrøm fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich ⦠ich habe Panik bekommen, ich stand unter Schock.«
»Hatten Sie den Eindruck, dass Helle noch andere Sexpartner hatte?«
»Ich weià es nicht. In unserer Beziehung â¦Â« Er schluckte. »Helle war in unserer Beziehung nicht die Unterlegene, ganz im Gegenteil. Sie hat sich genommen, was sie wollte. Die Initiative ging immer von ihr aus â auch beim Sex.«
Als Joakim aus Zetterstrøms Auto stieg und zur Kirche zurückging, sah er den Trauerzug. Als Erstes wurde der weiÃe Sarg aus der Kirche getragen. Helles Vater war selbst unter den Trägern. Gleich dahinter folgte ihre Mutter. Sie war sehr schlank, und ihr helles Haar ging schon ins Graue. Sie hielt eine rosa Rose in den Händen.
Auf dem Friedhof stand sie ruhig und beherrscht da, während der Pfarrer eine Handvoll Erde auf den Sarg warf. Doch als sie ihre Rose ins offene Grab legen sollte, sah es einen Augenblick aus, als wollte sie sich lieber selbst hinunterstürzen â sie schwankte, ihr Mann griff nach ihren Schultern, hielt sie energisch zurück, während die anderen Trauergäste vortraten und ihre Rosen auf den Sarg warfen, bis dieser von Blumen bedeckt war.
Als Joakim wieder in der Redaktion war, rief er Kikki an. »Gibt es etwas Neues?«, erkundigte er sich.
»Aus dem vorläufigen Obduktionsbericht geht hervor, dass Ester Tidemann Pedersen regelrecht gefoltert wurde.«
»Das heiÃt?«
»Nun ja, der Leiche fehlen zwei Finger und ein halbes Ohr. Ester muss wahnsinnig gelitten haben. Die Todesursache ist Hypothermie.«
»Unterkühlung?«
»Wir glauben, dass sie in einem Gefrierschrank gestorben ist oder in einem Kühlraum.«
Joakim musste sich konzentrieren, seine Gedanken neu ordnen. Sein Albtraum neulich, in dem er in dieser eisigen Kälte eingeschlossen gewesen war â das war doch nur ein Traum gewesen, oder? Ihm brach der Schweià aus, während sein Verstand auf Hochtouren arbeitete. Zufälle, Joakim. Das sind ganz normale Zufälle. Er räusperte sich.
»Keine Spur von den Mördern?«
»Wir haben absolut nichts«, antwortete Kikki.
»Gar nichts?«
»Na ja, das Rechtsmedizinische Institut hat zwei DNA-Profile gefunden, leider sind sie nicht im DNA-Register enthalten.«
»Die Täter waren ganz sicher keine Amateure. Ãrgerlich, dass sie nicht registriert sind«, kommentierte Joakim.
»Apropos Amateure«, fuhr Kikki fort, »ihre Absicht war natürlich,
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