Grabesdunkel
Zimmer sah Joakim, wie Hoff den Ressortleiter Telle zu sich winkte.
»Komm mit«, sagte sie laut. »Ich will, dass du dir das auch anhörst.«
Kapitel 40
In ihrem Büro platzierte Katarina Hoff die drei Kollegen auf den abgenutzten beigefarbenen Ledersofas, die sie von ihrem Vorgänger übernommen hatte. Sie setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl und wartete ab. Joakim machte wirklich einen schuldbewussten Eindruck. Sie wusste nie genau, woran sie bei ihm war. Häufig hatte sie das Gefühl, dass er etwas zu weit ging, wenn er an einer Sache dran war. Und wenn es um seine Quellen ging, war er mehr als geheimniskrämerisch. Er war tüchtig, aber sie musste wissen, was er trieb.
Als er vor zwei Jahren mit dem SKUP-Preis ausgezeichnet wurde, hatte man genau diesen Punkt kritisiert. Joakim hatte der Polizei den entscheidenden Tipp geliefert, der sie zu dem verschwundenen Mädchen geführt hatte. Die Kleine war ermordet und nicht weit von ihrem Zuhause entfernt vergraben worden. Ohne Joakims Hilfe wäre die Leiche vielleicht nie gefunden worden. In dem Methodenbericht, den Joakim bei SKUP eingereicht hatte, verriet er nicht, woher er seine Informationen hatte, sondern berief sich auf den Quellenschutz.
Dass Katarina Hoff als seine direkte Vorgesetzte bis heute nicht wusste, wie er an dieses Wissen gekommen war, lieà sie wachsam sein. Aber er war zweifelsfrei einer der besten Journalisten, die sie hatte, und das war auch der Grund, weshalb sie sich so für ihn eingesetzt hatte, als der Chefredakteur nach der Hellvik-Affäre seine Entlassung gefordert hatte. Chefredakteur PÃ¥l Røed hasste Fehltritte, vor allem wenn Nyhetsavisen den GroÃen und Mächtigen auf die FüÃe trat. »Ich war wohl zu übermütig«, hatte Joakim später erklärt. »Ich wusste, dass ich die Wahrheit in der Hand hielt, da habe ich die Geduld verloren.« Hoff hatte nur genickt.
Joakim hatte nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich die Wahrheit auch vor Gericht beweisen lassen musste. Ob wohl alles stimmte, was er in seinen neuesten Artikeln geschrieben hatte? Wenn er sich nur nicht wieder in etwas hineinreitet, dachte sie. Sie würde es kein zweites Mal schaffen, ihn vor der Feigheit des Chefredakteurs zu retten.
Katarina Hoff nagelte Joakim mit den Augen fest. Sie hatte geglaubt, dass er als Erster das Wort ergreifen würde, und lieà ihren Blick überrascht zu Agnes wandern, als diese sich räusperte und zu erzählen begann. Von den Telefongesprächen mit Ester Tidemann Pedersen, von dem Schuhkarton mit den Sexfilmen, auf denen Helle Isaksen Sado-Maso-Sex mit einem Unbekannten hatte. Sie berichtete, dass sie auf dem Friedhof zusammengeschlagen worden war.
Der Vorfall schien Agnes verändert zu haben. Irgendetwas war mit ihrer Stimme, sie wirkte so kraftlos. Als sie fertig war, beugte Hoff sich über den Schreibtisch und sagte entschlossen: »Ich rufe jetzt die Polizei an. Dieser Ãberfall muss sofort angezeigt werden.«
Joakim und Agnes gingen auf den Gang hinaus. Telle blieb im Büro der Nachrichtenchefin.
»Findest du etwa nicht, dass man das anzeigen sollte?«, fragte sie ihren Ressortleiter, der zugleich ihr vertrautester Mitarbeiter war.
»Doch, ich bekomme nur langsam ein richtig schlechtes Gefühl, was diesen Fall angeht. Das ist schon mehr als gruselig, das Ganze. Weder wir noch die Polizei verstehen auch nur ansatzweise, worum es eigentlich geht«, sagte Telle und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
Hoff nickte und wählte die Nummer der Polizei.
Fünf Minuten später bat sie Agnes und Joakim wieder herein. »Agnes, du kannst später ins Polizeipräsidium fahren. Du bekommst einen Rufmelder«, sagte sie.
Joakim sah sie ungläubig an. »Einen Rufmelder? Mehr haben sie Agnes nicht zu bieten?«
Hoff verstand seine Reaktion. Natürlich bedeutete ein Rufmelder noch lange keine umfassende Sicherheit. Vor wenigen Wochen erst hatte Nyhetsavisen von einem Axtmord in Nordnorwegen berichtet. Die Frau hatte den Rufmelder betätigt, doch als die Polizei am Tatort eintraf, war sie bereits verblutet, direkt hinter der Wohnungstür.
Hoff fuhr fort: »AuÃerdem wollen sie eine Alarmanlage in deiner Wohnung installieren und eine Sicherheitsfirma beauftragen, die in regelmäÃigen Abständen bei dir vorbeifährt. Du bekommst, was du brauchst, Agnes, ein Hotelzimmer, ein Taxi, was immer du willst,
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