Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesdunkel

Grabesdunkel

Titel: Grabesdunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Beverfjord
Vom Netzwerk:
mit der Familie zu genießen. Vibeke hatte den ganzen Tag in der Küche gestanden, und ihm wurde ganz weich ums Herz, wenn er sie sah. Überall im Haus roch es nach Knoblauch und Rosmarin. Doch Vibeke war verschwitzt und hatte rote Wangen, sie wirkte hektisch. Er sah, dass irgendetwas sie quälte. Vielleicht hatten sie zu viele Gäste eingeladen? Wurde es ihr zu viel?
    Â»Kann ich dir helfen?« Er hatte sich in den Rahmen der Küchentür gelehnt und lächelte sie an. Vibeke fuhr sich mit der Hand über die Stirn, strich den Pony aus dem Gesicht.
    Â»Eigentlich ist alles fertig«, antwortete sie.
    Sie war ein bisschen kurz angebunden, stellte er fest. Terje Østby trat näher an seine Frau heran, nahm sie in den Arm, zog sie an sich und schnupperte an ihrem Haar.
    Â»Stimmt etwas nicht, meine Liebe?«
    Vibeke schüttelte den Kopf und befreite sich aus seinen Armen. Sie drehte sich um, um wieder zum Backofen zu gehen, und in dem Moment sah er es. Sie schwankte, als würde sie gleich ohnmächtig werden.
    Er spürte sein schlechtes Gewissen. Warum hatte er darauf bestanden, dass zu dem Lammkeulenessen so viele Leute eingeladen wurden? Warum hatte er ihr nicht mehr in der Küche geholfen? Sie war schon früh am Morgen aufgestanden, um mit den Essensvorbereitungen zu beginnen. Er hingegen hatte lange geschlafen und war dann mit den Kindern Skifahren gegangen. Sie hatten den ganzen Tag Spaß gehabt, während sie in der Küche gestanden und gearbeitet hatte.
    Â»Vibeke, du brauchst eine Pause. Geh hoch ins Schlafzimmer, und ruh dich aus. Ich übernehme.«
    Â»Nein, das geht nicht.«
    Â»Das Essen ist doch quasi fertig. Traust du mir nicht zu, dass ich den Rest schaffe?«
    Er sah sie flachsend an, um ein Lächeln auf ihrem Gesicht hervorzuzaubern. Sie nickte und ging hoch, um sich auszuruhen.
    Vibeke kam erst wieder herunter, als die Gäste Platz genommen hatten. Sie hatte den großen Esstisch schon früher am Tag mit Silber und Kristall gedeckt und mit Osterglocken geschmückt. Die gelben Servietten waren zu kleinen Fächern gefaltet, die aufgeschlagen auf den Porzellantellern lagen. Allein für die Servietten dürfte sie eine halbe Stunde gebraucht haben, dachte Terje Østby. Während des Essens sah er sie besorgt an, wie sie am anderen Ende saß und mit ihrer Schwester sprach. Er kannte sie gut genug, um zu merken, dass sie mit ihren Gedanken ganz woanders war. Sie waren nicht vor Ort, nicht hier.
    Am Abend, als sie in ihrem Doppelbett lagen, hatte er sie erneut gefragt, was sie quälte. Sie hatte sich zu ihm umgedreht, den Arm über seine Brust gelegt, wie sie das immer tat, wenn sie Trost suchte.
    Â»Ich weiß es nicht, Terje. Mir ist so furchtbar schwindelig geworden. Vielleicht habe ich heute einfach zu wenig getrunken.«
    Er hatte sie an sich gezogen, die rechte Hand um ihre Brust gelegt und sie zärtlich gedrückt.
    Â»Nicht heute Abend«, hatte sie geantwortet und sich umgedreht, um das Licht auszumachen.
    Sie hatten erst drei Monate später wieder über die Episode mit dem Schwindel gesprochen. Das Storting hatte Sommerferien, und vor Terje Østby lagen lange, herrliche Ferientage zu Hause in Bergen. Es war ein glühend heißer Julitag, selbst die Fliegen waren zu müde, um etwas anderes zu tun, als in den Fensterrahmen zu dösen. Er war als Erster aufgestanden, hatte für die ganze Familie Frühstück gemacht. Als er sie herunterrief, kamen nur die Kinder. Die Mama liege noch im Bett, sagten sie. Beunruhigt ging er nach oben und klopfte an die Schlafzimmertür.
    Â»Nicht hereinkommen«, hörte er eine vom Weinen erstickte Stimme.
    Â»Es sind nicht die Kinder, ich bin’s«, sagte er und öffnete die Tür.
    Vibeke lag im Bett und verdeckte die Augen mit der Hand. Das rechte Bein schaute unter der Decke hervor. Er konnte an dem Bein nichts Ungewöhnliches sehen, doch Vibeke sagte, dass sie es nicht bewegen könne. Die Haut kribbele, und sie habe kein richtiges Gefühl in dem Bein. Es fühle sich an, als wäre die rechte Seite bis hoch zum Nabel gelähmt, sagte sie.
    Die Wartezeit war schwer. Als der Arzt verkündet hatte, dass eine Computertomografie gemacht werden müsse, um MS auszuschließen, war Vibeke völlig aufgelöst gewesen. Als der endgültige Befund kam, hatte sie ihn relativ gefasst aufgenommen, als hätte sie den Schock schon im Vorfeld

Weitere Kostenlose Bücher