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Grabesdunkel

Grabesdunkel

Titel: Grabesdunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Beverfjord
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»Alle haben angerufen. Der Journalistenverband. Der Presseverband. Und jetzt auch noch der Staatsminister.«
    Hoff spürte einen Kloß im Hals.
    Â»Katarina«, sagte Chefredakteur Røed ruhig. »Ich finde es milde ausgedrückt beunruhigend, dass du eine so ernste Angelegenheit nicht mit mir abgesprochen hast.«
    Â»Wovon redest du? Ich habe dich doch gestern Abend angerufen.« Hoff stand abrupt von ihrem Stuhl auf. Sie spürte, wie ihre Wangen brannten. Judas, dachte sie. Er lügt und versetzt mir einen Dolchstoß.
    Â»Ich kann nicht behaupten, dass mir dieses Gespräch die richtige Entscheidungsgrundlage vermittelt hat«, sagte Røed, dessen Gesicht ebenfalls eine hektische Farbe angenommen hatte.
    Â»Habe ich dir etwa nicht erzählt, dass drei prominente Männer mit heruntergelassenen Hosen erwischt wurden? Dass ich den Anwalt gebeten habe, das Material durchzugehen? Dass wir die Titelseite und fast den gesamten Nachrichtenteil dafür reserviert haben? Was zum Teufel willst du damit sagen, dass du nicht unterrichtet worden bist?« Hoff schrie jetzt.
    Â»Ich muss mich auf dich verlassen können. Eine Information reicht in einem so ernsten Fall nicht aus.«
    Â»Verdammt noch mal, PÃ¥l. Es ist nicht meine Schuld, dass du einen Sprengkörper nicht erkennst, wenn er vor dir liegt. Du hattest jede Möglichkeit, die Sache zu stoppen, wenn du das gewollt hättest.«
    Die Lippen des Chefredakteurs wurden schmal. »Ich denke, wir beenden dieses Gespräch an dieser Stelle.«
    Â»Meinst du, dass die Story nicht hätte gedruckt werden sollen?« Hoff hatte beide Hände auf den Tisch gestemmt, sie überragte ihn.
    Â»Hatte er die Gelegenheit, sich zu verteidigen, Widerspruch einzulegen? Gibt es eine einzige Quelle, eine einzige Stimme in dieser Zeitung, einen einzigen Satz, der für Østby spricht?«, fauchte Røed.
    Hoff zog sich schweigend zurück. In ihrem tiefsten Inneren wusste sie, dass ihr Chef recht hatte. Im Namen der Gerechtigkeit hätten sie eine Art Gegendarstellung bringen müssen, selbst wenn sie nicht von Terje Østby selbst war. Nicht dass sie davon ausging, dass das die harten Fakten geändert hätte, aber sie hätten es tun sollen. Ein solcher Rufmord schrie nach einer Verteidigung der einen oder anderen Art.
    Der Chefredakteur strich sich die buschigen Augenbrauen mit den Fingerkuppen glatt. Er hatte die Augen geschlossen, während er redete. »Was mich am meisten enttäuscht, Katarina, ist, dass du eine Journalistin, gegen die wegen Mordes ermittelt wird, an dieser Geschichte arbeiten lässt.«
    Â»Sie …« Hoff hielt mitten im Satz inne. Dieser Schlag war verloren. Dass sie sich hatte überreden lassen, Agnes in der Redaktion arbeiten zu lassen, war das eine. Dass Agnes’ Telefongespräch vielleicht der Grund war, dass der Vorsitzende der Christlichen Volkspartei sich das Leben genommen hatte, war etwas ganz anderes.

Kapitel 58
    Der Vorsitzende der Christlichen Volkspartei, Terje Østby, starrte in die Gewehrmündung. Seine Augen waren so nass von Tränen, dass das Zimmer vor ihm verschwamm. Er konnte die Fotos an der Wand nur undeutlich erkennen. Die Motive waren ihm vertraut: ein Bild der Familie bei einer Bergwanderung, eine Aufnahme der jüngsten Tochter, die sich vor dem Fernseher in seine Armbeuge kuschelte, Fotos von seinem ältesten Sohn, der von der Sprungschanze sprang, die sie direkt hinter der Hütte gebaut hatten.
    Er schloss die Hand fester um die Schrotflinte. Nach dem Anruf von Nyhetsavisen war er hergefahren. Als die Journalistin ihren Namen genannt hatte, war ihm klar gewesen, dass es vorbei war.
    Nichts von alldem wäre passiert ohne die Krankheit. Sie dauerte jetzt sieben Jahre. Das erste kleine Anzeichen war an einem Osterabend aufgetreten. Das Haus in Bergen war voll von Familie und Freunden, und Terje Østby hatte sich auf das Fest gefreut. Er fühlte sich in Oslo nicht wohl. Die Dienstwohnung in Hof war nichts für ihn. Der rote Ziegelsteinblock sah von außen kahl und trist aus. Seine Frau Vibeke hatte versucht, die Wohnung mit Familienfotos und selbst gemachten Decken und Kissen gemütlicher einzurichten. Aber es half nicht, wenn sie nicht da war. Dann war die Wohnung nicht mehr als ein Ort, wo er schlief.
    Doch diese Ostern brauchte ihn das nicht zu kümmern – er konnte sich ganz darauf konzentrieren, das verlorene Zuhause

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