Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
Farbe angenommen. »Rosalind meinte – sie war total aufgewühlt, aber sie meinte, es wäre ungerecht, dass Katy nie erfahren würde, was Jessica alles mitgemacht hat, deshalb hab ich schließlich gesagt, ich würde ... Tut mir leid, ich glaub, ich muss ...« Er machte ein Geräusch zwischen Husten und Würgen.
    »Durchatmen«, sagte Cassie. »Gleich geht’s wieder. Sie brauchen nur einen Schluck Wasser.« Sie nahm den zerfledderten Becher weg, holte einen neuen und füllte ihn. Sie massierte ihm die Schultern, während er den Becher mit beiden Händen nahm, trank und tief durchatmete.
    »Na sehen Sie«, sagte sie, als sein Gesicht wieder etwas Farbe hatte. »Sie machen das prima. Also, Sie sollten Katy vergewaltigen, aber stattdessen haben Sie die Kelle genommen, als Katy tot war?«
    »Ich hab kalte Füße gekriegt«, sagte Damien in den Wasserbecher hinein, tief und grimmig. »Sie hatte viel, viel Schlimmeres gemacht, aber ich hab kalte Füße gekriegt.«
    »Ist das der Grund, warum« – Sam tippte mit einem Finger auf die Telefonlisten – »warum die Anrufe zwischen Ihnen und Rosalind nach Katys Tod schlagartig weniger werden? Zwei am Dienstag, einen Tag nach dem Mord, einer am frühen Mittwochmorgen, einer am Dienstag darauf, dann keiner mehr. War Rosalind wütend auf Sie, weil sie sich im Stich gelassen fühlte?«
    »Ich hab keine Ahnung, woher sie das überhaupt wusste. Ich hatte eine Scheißangst, es ihr zu sagen. Wir hatten zwei Wochen Funkstille vereinbart, damit die Polizei uns nicht miteinander in Verbindung bringt, aber gut eine Woche später hat sie mir gesimst, wir sollten den Kontakt besser ganz abbrechen, da mir offenbar doch nichts an ihr liegen würde. Ich hab sie angerufen, um zu fragen, was los ist – und ja, natürlich war sie sauer!« Seine Stimme wurde lauter. »Ich meine, wir vertragen uns schon wieder – aber sie hatte ja auch allen Grund, sauer auf mich zu sein. Katy wurde erst am Mittwoch gefunden, weil ich Panik gekriegt hatte, und das hätte ihr total das Alibi ruinieren können, und ich hatte nicht ... ich hatte nicht ... Sie hatte mir vertraut, sie hatte sonst niemanden, und ich konnte nicht mal eine Sache richtig machen, weil ich so ein verdammter Waschlappen bin.«
    Cassie antwortete nicht. Sie saß mit dem Rücken zu mir; ich sah ihre zarten Nackenwirbel, und mich überfiel eine Trauer, die mich wie ein massives Gewicht in Armen und Kehle nach unten zog. Dieses kleine perfide Detail, dass Katy getanzt hätte, um Aufmerksamkeit zu bekommen, hatte alle Wut aus mir herausgepresst, mich ausgehöhlt. Ich hatte nur noch einen Wunsch, schlafen, schlafen, schlafen, und erst aufwachen, wenn dieser Tag vorbei war und der Dauerregen all das hier weggespült hatte.
    »Wissen Sie was?«, sagte Damien leise, kurz bevor ich ging. »Wir wollten heiraten. Sobald Jessica sich so weit erholt hätte, dass Rosalind sie allein lassen konnte. Ich schätze, das wird wohl nichts werden, was?«
    Sie verhörten ihn den ganzen Tag. Ich wusste, warum es so lange dauerte: Sie hatten den wesentlichen Ablauf der Geschichte, jetzt gingen sie das Ganze noch einmal durch, um Zeiten und Daten und Einzelheiten zu ergänzen, mögliche Lücken und Ungereimtheiten auszuräumen. Ein Geständnis ist erst der Anfang. Danach muss es wasserdicht gemacht werden gegen mögliche Einwände von Verteidigern und Geschworenen, solange der Verdächtige gesprächig ist und ehe er Gelegenheit hat, mit anderen Erklärungen aufzuwarten. Sam ist gewissenhaft; sie würden ihre Sache gut machen.
    Sweeney und O'Gorman kamen immer wieder kurz in den SOKO-Raum hereingeschneit: mit Listen von Rosalinds Handygesprächen, mit weiteren Hintergrundinformationen über Rosalind und Damien. Ich schickte sie in den Verhörraum. O’Kelly schaute kurz rein und warf mir einen finsteren Blick zu. Ich tat so, als wäre ich in die Telefonhinweise vertieft. Am späten Nachmittag kam Quigley, um mir seine Gedanken über den Fall mitzuteilen. Abgesehen davon, dass ich keine Lust hatte, mit irgendwem zu reden, schon gar nicht mit ihm, war das ein sehr schlechtes Zeichen: Quigleys einziges Talent ist ein untrügliches Gespür für Schwäche, und bis auf ein paar peinliche Versuche, sich bei Cassie und mir lieb Kind zu machen, hatte er uns in Frieden gelassen und sich höchstens mal über Neulinge und ausgebrannte Kollegen und solche ausgelassen, mit deren Karriere es völlig unerwartet bergab gegangen war.
    Nach einer Weile schien er jedoch zu kapieren, dass

Weitere Kostenlose Bücher