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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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möchte, aber das gibt sich nach ein paar Tagen in Haft.«
    »Dieser Mist mit der Unzurechnungsfähigkeit gehört abgeschafft«, sagte O'Kelly verbittert. »Da verkündet irgendso ein Vollidiot von Experte im Zeugenstand: ›Ist nicht seine Schuld, Euer Ehren, seine Mummy hat ihn zu früh ans Töpfchen gewöhnt, da konnte er nicht anders, als das kleine Mädchen umbringen ...‹ Ausgemachter Schwachsinn ist das. Der ist nicht unzurechnungsfähiger als ich. Einer von unseren Psychologen soll ihn untersuchen und das bestätigen.« Sam nickte und machte sich eine Notiz.
    O’Kelly blätterte in seinen Unterlagen. »So, was hat das mit der Schwester auf sich?«
    Die Luft im Raum verdichtete sich. »Rosalind Devlin«, sagte Cassie und hob den Kopf. »Sie und Damien waren ein Paar. Nach dem, was er erzählt, war der Mord ihre Idee. Sie hat ihn dazu gedrängt.«
    »Ach ja. Wieso?«
    »Laut Damien«, sagte Cassie mit ruhiger Stimme, »hat Rosalind ihm erzählt, Jonathan Devlin würde seine drei Töchter sexuell missbrauchen und Rosalind und Jessica körperlich misshandeln. Katy sei sein Liebling und habe ihn zu dem Missbrauch angestiftet. Rosalind hat gesagt, wenn Katy aus dem Weg geräumt wäre, würde der Missbrauch aufhören.«
    »Irgendwelche Beweise, die diese Geschichte untermauern?«
    »Im Gegenteil. Damien sagt, Rosalind habe ihm erzählt, Devlin habe ihr eine Schädelfraktur beigebracht und Jessica den Arm gebrochen, aber in ihren ärztlichen Unterlagen findet sich nichts dergleichen – auch nichts, das auf irgendeine Form von Misshandlung hindeutet. Und Katy, die angeblich über Jahre mit ihrem Vater regelmäßig Geschlechtsverkehr gehabt haben soll, war bei ihrem Tod eindeutig noch Jungfrau.«
    »Wieso vergeuden Sie dann noch unsere Zeit mit diesem Humbug?« O’Kelly schlug mit der flachen Hand auf den Bericht. »Wir haben unseren Mann, Maddox. Fahren Sie nach Hause, und überlassen Sie alles Weitere den Anwälten.«
    »Weil es Rosalinds Humbug ist, nicht Damiens«, sagte Cassie, und zum ersten Mal war etwas Leben in ihrer Stimme. »Jemand hat Katy über Jahre krank gemacht, und das war nicht Damien. Als sie das erste Mal auf die Ballettschule in London sollte, lange bevor Damien überhaupt von ihrer Existenz wusste, hat jemand sie so krank gemacht, dass sie absagen musste. Jemand hat Damien so manipuliert, dass er ein Mädchen getötet hat, das er kaum kannte. Sie haben es eben selbst gesagt, Sir, er ist nicht unzurechnungsfähig, er hat keine Stimmen gehört, die ihm gesagt haben, er soll es tun. Rosalind ist die Drahtzieherin.«
    »Was hat sie für ein Motiv?«
    »Sie konnte nicht ertragen, dass Katy so viel Aufmerksamkeit und Bewunderung erntete. Sir, ich gehe jede Wette ein, dass ich richtigliege. Ich glaube, Rosalind hat vor Jahren angefangen, Katy zu vergiften, als ihr nämlich klar wurde, dass ihre Schwester echtes Talent fürs Ballett hatte. So was geht erschreckend einfach: Haushaltsreiniger, Brechmittel, einfaches Speisesalz – in einem durchschnittlichen Haushalt finden sich zig Dinge, mit denen sich bei einem kleinen Mädchen geheimnisvolle Magenbeschwerden auslösen lassen, wenn es gelingt, die Kleine dazu zu bringen, das Zeug auch einzunehmen. Man kann ihr weismachen, es wäre eine Geheimmedizin, die ihr gut tun wird, und wenn sie erst acht oder neun ist, wird sie ihrer großen Schwester vermutlich glauben ... Aber als Katy eine zweite Chance für die Ballettschule bekam, ließ sie sich nicht mehr überreden. Da war sie schon zwölf, alt genug, um nicht mehr alles zu glauben, was man ihr erzählt. Sie weigerte sich, das Zeug weiterzunehmen. Zusammen mit dem Zeitungsartikel und der Benefizveranstaltung und der Tatsache, dass Katy sich zu einer Prominenten von Knocknaree mauserte, brachte das das Fass zum Überlaufen: Sie hatte sich Rosalind offen widersetzt, und das würde sie ihr nicht durchgehen lassen. Als sie Damien kennenlernte, erkannte sie ihre Chance. Das arme Schwein ist der geborene Sündenbock. Er ist nicht gerade eine Leuchte, und er würde alles tun, um jemanden glücklich zu machen. In den folgenden Monaten hat Rosalind alles aufgefahren, was ihr zur Verfügung stand – Sex, tränenrührende Lügengeschichten, Schmeicheleien, Vorwürfe –, um ihn zu überzeugen, dass er Katy töten muss. Und das hat sie auch geschafft: Er war so verwirrt und aufgepuscht, dass er meinte, keine andere Wahl mehr zu haben. Wahrscheinlich war er da tatsächlich schon ein wenig

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