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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Zeichentrickfigur, die gehorsam genau an der richtigen Stelle herumlungert, damit der Amboss ihm auch direkt auf den Kopf fallen kann. Natürlich ist mir die Absurdität dieser Reaktion bewusst, und ich kann sie mir auch psychologisch erklären, doch damals hatte ich nur einen Gedanken: Ich wollte in den Verhörraum stürzen und Damien mit der Nase auf die ärztlichen Berichte stoßen: Siehst du das, du Vollidiot? Steht da irgendwo was von einer Schädelfraktur? Bist du mal auf die Idee gekommen, dir die Narbe zeigen zu lassen, ehe du deshalb ein Kind umbringst?
    »Sie haben also drauf bestanden«, sagte Cassie, »und am Ende hat Rosalind irgendwie ein Einsehen gehabt.«
    Diesmal registrierte Damien den beißenden Unterton. »Es ging ihr um Jessica! Rosalind hat dabei nicht an sich gedacht, das war ihr egal, aber an Jessica. Rosalind hatte Angst, Jessica würde einen Nervenzusammenbruch kriegen oder so. Sie glaubte nicht, dass Jessica noch sechs Jahre durchhalten könnte!«
    »Aber Katy wäre doch kaum noch zu Hause gewesen«, sagte Sam. »Sie war kurz davor, auf die Ballettschule zu gehen, in London. Sie wäre jetzt bereits weg. Haben Sie das nicht gewusst?«
    Damien heulte fast: » Nein! Das hab ich doch auch gesagt, ich hab danach gefragt. Aber Sie kapieren das nicht ... Es war ihr doch gar nicht wichtig, Tänzerin zu werden. Sie wollte bloß überall im Mittelpunkt stehen. Die Schule in London, wo sie nichts Besonderes gewesen wäre, hätte sie spätestens Weihnachten geschmissen, und dann wäre sie wieder zu Hause gewesen!«
    Von allen Dingen, die die beiden ihr angetan hatten, schockierte mich das am meisten: Mit welch diabolischem Scharfsinn, mit welch eiskalter Präzision sie das Einzige, das Katy Devlin am Herzen gelegen hatte, anvisiert, vereinnahmt und besudelt hatten. Ich dachte an Simones tiefe, leise Stimme in dem leeren Tanzstudio: sérieuse. In all den Jahren als Polizist hatte ich die Präsenz des Bösen nie so hautnah gespürt: stark und widerlich süß in der Luft. Mir sträubten sich die Nackenhaare.
    »Dann war es also Notwehr«, sagte Cassie nach längerem Schweigen, ohne dass sie und Sam sich angeschaut hatten.
    Damien sprang darauf an. »Ja. Genau. Ich meine, wir wären doch gar nicht auf die Idee gekommen, wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte.«
    »Ich verstehe. Und wissen Sie, so was kommt öfter vor: Ehefrauen, die irgendwann genug haben und ihre prügelnden Ehemänner töten, solche Sachen. Dafür haben auch Geschworene Verständnis.«
    »Tatsache?« Er blickte mit großen, hoffnungsvollen Augen zu ihr hoch.
    »Klar. Wenn die hören, was Rosalind alles durchgemacht hat ... ich würde mir ihretwegen keine Sorgen machen. Okay?«
    »Ich will nur nicht, dass sie irgendwelche Schwierigkeiten kriegt.«
    »Dann ist es am besten, wenn Sie uns alles genau erzählen. Okay?«
    Damien seufzte, ein kleines, müdes Seufzen, in dem Erleichterung mitschwang. »Okay.«
    »Sehr gut«, sagte Cassie. »Also weiter im Text. Wann habt ihr den Entschluss gefasst?«
    »Im Juli. Mitte Juli.«
    »Und wann habt ihr den Zeitpunkt festgelegt?«
    »Bloß, ähm, ein paar Tage, ehe es passiert ist. Ich hab Rosalind gesagt, sie soll sich ein Alibi verschaffen. Wir wussten ja, dass Familienangehörige immer die Hauptverdächtigen sind, das hatte Rosalind irgendwo gelesen. Wir haben uns also abends getroffen – ich glaub an einem Freitag –, und sie hat gesagt, sie hätte es so arrangiert, dass sie und Jessica am nächsten Montag bei ihren Cousinen übernachten würden, sie wären dann so bis zwei Uhr morgens wach und würden quatschen, es wäre also das perfekte Alibi. Ich musste nur zusehen, dass die Sache bis zwei erledigt wäre. Die ... die Polizei würde die genaue Tatzeit feststellen können ...« Seine Stimme bebte.
    »Und was haben Sie gesagt?«, fragte Cassie.
    »Ich ... ich hab Panik gekriegt. Ich meine, bis dahin war das Ganze irgendwie nicht real. Ich hab irgendwie doch nicht gedacht, dass wir es wirklich tun würden. Für mich war das einfach nur Gedankenspielerei gewesen. So wie bei Sean Callaghan, Sean von der Ausgrabung? Der war mal in einer Band, die sich aufgelöst hat, und er redet immer davon ›Mann, wenn die Band wieder zusammen ist, wenn wir ganz groß rauskommen ...‹ Obwohl er genau weiß, dass das nie passieren wird, aber wenn er drüber redet, geht’s ihm besser.«
    »In der Band waren wir alle schon mal«, lächelte Cassie.
    Damien nickte. »So war das für mich. Aber dann sagte

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