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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Unterrichtsschluss. Ich hörte Stimmen von Eltern im Vorraum, erneutes Fußgetrappel und Geplapper. »Haben Sie auch Jessica unterrichtet?«, fragte Cassie. »Hat sie versucht, an die Royal Ballet School zu kommen?«
    Wenn man in der Anfangsphase einer Ermittlung noch keinen Verdächtigen hat, kann man praktisch nur versuchen, möglichst viel über das Leben des Opfers herauszufinden, in der Hoffnung, dass an irgendeiner Stelle die Alarmglocken losgehen. Cassie hatte vermutlich recht, wir mussten mehr über die Familie Devlin in Erfahrung bringen. Und Simone Cameron wollte reden. Das erleben wir häufig, dass Menschen unbedingt mit uns reden wollen, denn wenn sie aufhören, gehen wir, und dann bleiben sie mit dem, was geschehen ist, allein zurück. Wir hören zu und nicken und sind mitfühlend und merken uns alles, was sie sagen.
    »Ich habe alle drei Schwestern unterrichtet«, sagte Simone. »Jessica war vielversprechend, als sie kleiner war, und sie hat fleißig geübt, doch je größer sie wurde, desto schüchterner wurde sie, bis jede Einzelübung irgendwann für sie nur noch eine einzige Qual war. Ich habe ihren Eltern geraten, ihr das nicht weiter zuzumuten.«
    »Und Rosalind?«
    »Rosalind hatte zwar Talent, aber sie war nicht fleißig genug und wollte sofort Erfolge sehen. Nach wenigen Monaten hörte sie auf und nahm stattdessen Geigenunterricht, glaube ich. Sie sagte, es wäre die Entscheidung ihrer Eltern, aber ich glaube, sie fand Ballett langweilig. Wir erleben das recht häufig bei Kindern: Wenn sie nicht sofort alles können und wenn ihnen klar wird, wie viel harte Arbeit erforderlich ist, sind sie frustriert und geben auf. Offen gestanden, von den beiden hätte ohnehin keine das Zeug für die Royal Ballet School gehabt.«
    »Aber Katy ...«, sagte Cassie und beugte sich vor.
    Simone sah sie lange an. »Katy war ... sérieuse .«
    Das war das Besondere an ihrer Stimme: Irgendwo weit hinten hatte ihre Intonation einen französischen Beiklang. »Ernsthaft«, sagte ich.
    »Mehr«, sagte Cassie. Ihre Mutter war Halbfranzösin, und als Kind hatte sie die Sommerferien bei ihren Großeltern in der Provence verbracht. Sie sagt, inzwischen kann sie kaum noch Französisch sprechen, aber sie versteht es noch immer gut. »Ein Profi.«
    Simone neigte den Kopf. »Ja. Sie konnte richtig hart trainieren – nicht bloß, weil es effektiv war, sondern weil es ihr Spaß machte. Ein echtes Tanztalent findet man nicht oft, und die Persönlichkeit, aus diesem Talent einen Beruf zu machen, noch viel seltener. Dass beides zusammenkommt ...« Wieder wandte sie den Blick ab. »Manchmal ist sie an den Abenden, an denen nur ein Tanzraum benutzt wurde, hergekommen, um in dem freien zu üben.«
    Draußen dämmerte allmählich der Abend. Die Rufe der Skateboarder trieben herauf, schwach und kristallin durch das Glas. Ich stellte mir Katy Devlin allein in dem Raum vor, wie sie kritisch in den Spiegel blickte, während sie sich langsam drehte und neigte; das Anheben eines gestreckten Fußes; Straßenlampen, die safrangelbe Rechtecke auf den Boden warfen, Saties Gnossiennes knisternd aus dem Plattenspieler. Auch Simone kam mir ziemlich sérieuse vor, und ich fragte mich, wie sie ausgerechnet hier – über einem Laden in Stillorgan, wo der Fettgeruch von der Pommesbude nebenan hochwehte – gelandet war, um kleinen Mädchen Ballett beizubringen, deren Mütter glaubten, das wäre gut für die Haltung, oder gerahmte Fotos von ihnen in Tutus haben wollten. Plötzlich begriff ich, was Katy Devlin ihr bedeutet haben musste.
    »Wie standen Mr und Mrs Devlin dazu, dass Katy auf die Londoner Ballettschule wollte?«, fragte Cassie.
    »Sie haben sie sehr unterstützt«, sagte Simone, ohne zu zögern. »Ich war erleichtert und auch erstaunt. Nicht alle Eltern sind bereit, ein Kind in diesem Alter aus dem Haus zu geben, und die meisten möchten aus verständlichen Gründen nicht, dass ihre Kinder Profitänzer werden. Vor allem Mr Devlin war dafür, dass Katy die Chance wahrnahm. Ich glaube, sie hatten ein enges Verhältnis. Ich hab ihn dafür bewundert, dass er das Beste für sie wollte, auch wenn er sie dafür fortgehen lassen musste.«
    »Und ihre Mutter?«, sagte Cassie. »Hatte sie auch ein enges Verhältnis zu ihr?«
    Simone zuckte kurz mit einer Schulter. »Weniger, glaube ich. Mrs Devlin ist ... ziemlich konturlos. Ich hatte immer den Eindruck, als würden ihre Töchter sie in Verwirrung bringen. Ich halte sie nicht für sonderlich

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