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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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obgleich die ... äh ... die Form eher Letzteres vermuten lässt. Die richtigen Maße, Sie verstehen. Ein überaus seltenes Objekt. Ein Indiz dafür, dass diese Hügel in der Bronzezeit eine große religiöse Bedeutung hatten. Wirklich jammerschade ... diese Straße.«
    »Haben Sie noch andere Funde gemacht, die das bestätigen?«, fragte ich. Falls ja, wäre das ein gefundenes Fressen für gewisse Medien.
    Hunt sah mich gekränkt an. »Das Fehlen von Beweisen ist kein Beweis für ihr Nichtvorhandensein«, erwiderte er vorwurfsvoll.
    Er war der Letzte, den wir vernahmen. Als wir unsere Sachen zusammenpackten, steckte der junge Nachwuchstechniker den Kopf zur Tür herein. »Äh«, sagte er. »Hallo. Ich soll Ihnen von Sophie ausrichten, dass sie für heute Schluss macht, sie möchte Ihnen aber noch etwas zeigen.«
    Sie hatten die Markierungen eingesammelt, der Altarstein stand wieder allein da, und zunächst schien das gesamte Ausgrabungsgelände menschenleer. Die Reporter waren längst abgezogen, und bis auf Hunt, der gerade in einen verdreckten Ford Fiesta kletterte, waren alle Archäologen nach Hause gefahren. Aber als wir zwischen den Containern hervortraten, sah ich etwas Weißes zwischen den Bäumen aufblitzen.
    Durch die vertraute, ereignislose Routine der Zeugenvernehmungen war ich deutlich ruhiger geworden (Cassie nennt diese ersten Hintergrundbefragungen die Nix-Phase eines Falls: Alle haben nix gesehen, alle haben nix gehört, alle haben nix gemacht), dennoch spürte ich, wie mir etwas den Rücken herunterlief, als wir den Wald betraten. Es war keine Angst, eher das jähe Aufschrecken, wenn du wach wirst, weil jemand deinen Namen ruft, oder wenn eine Fledermaus mit einem unhörbar hohen Ton vorbeiflitzt. Der Boden war dick und weich, Jahre altes Laub unter meinen Füßen, und das durch die dichten Bäume gefilterte Licht schimmerte unruhig und grün.
    Sophie und Helen warteten rund hundert Meter weiter auf einer kleinen Lichtung. »Ich hab noch alles so liegen lassen, damit ihr es euch ansehen könnt«, sagte Sophie, »aber ich will den ganzen Mist eintüten, ehe es zu dunkel wird. Ich bau hier keine Scheinwerfer mehr auf.«
    Irgendwer hatte hier kampiert. Auf einer schlafsackgroßen Fläche waren spitze Zweige weggeräumt worden, und das Laub war flach gedrückt. Ein paar Meter weiter waren die verkohlten Überreste eines Lagerfeuers. Cassie stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Ist das unser Tatort?«, fragte ich ohne viel Hoffnung. Wenn ja, hätte Sophie uns gleich von den Vernehmungen holen lassen.
    »Ausgeschlossen«, sagte sie. »Wir haben keinerlei Kampfspuren und nicht ein Tröpfchen Blut gefunden – bei der Feuerstelle ist ein großer Fleck, aber dem Geruch nach zu schließen, ist es vermutlich Rotwein.«
    »Ein Camper mit Stil«, sagte ich und zog die Augenbrauen hoch. Ich hatte mir irgendeinen trinkfreudigen Obdachlosen vorgestellt, aber die Gesetze des Marktes bringen es mit sich, dass der Durchschnittsalkoholiker in Irland billiges Bier oder Wodka konsumiert. Auch ein Pärchen mit einem Faible für Sex in der Natur kam wohl kaum in Frage, weil die flach gedrückte Stelle gerade breit genug für eine Person war. »Habt ihr sonst noch was gefunden?«
    »Wir werden die Asche testen, ob da jemand vielleicht blutige Kleidung verbrannt hat, aber eigentlich sieht sie nur nach Holz aus. Wir haben Schuhabdrücke, fünf Zigarettenkippen und das hier.« Sophie reichte mir einen mit Filzstift beschrifteten Gefrierbeutel. Ich hielt ihn in dem Dämmerlicht hoch, und Cassie trat vorsichtig näher, um über meine Schulter zu spähen: ein einzelnes langes, helles, welliges Haar. »Lag nahe am Lagerfeuer«, sagte Sophie und deutete mit dem Daumen auf eine Plastikmarkierung.
    »Könnt ihr ungefähr sagen, wann hier zuletzt kampiert wurde?«, fragte Cassie.
    »Auf die Asche hat’s nicht geregnet. Ich frag nochmal für dieses Gebiet nach, aber da, wo ich wohne, hat’s am frühen Montagmorgen geregnet, und das sind nur knapp zwei Meilen von hier. Sieht so aus, als hätte hier jemand gestern oder vorgestern übernachtet.«
    »Kann ich mir mal die Kippen ansehen?«, bat ich.
    »Von mir aus«, sagte Sophie. Ich nahm Maske und Pinzette aus meiner Aktentasche und ging bei einer der Markierungen am Feuer in die Hocke. Die Kippe war von einer Selbstgedrehten, sehr dünn und fast bis ans Ende geraucht. Da war jemand sehr sparsam mit seinem Tabak.
    »Mark Hanly raucht Selbstgedrehte«, sagte ich und richtete mich wieder auf.

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