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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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intelligent.«
    »Ist Ihnen in den letzten Monaten irgendjemand aufgefallen, der sich in der Nähe der Schule herumgetrieben hat?«, fragte ich. »Irgendwer, der Ihnen eigenartig vorkam?« Ballettschulen und Schwimmvereine und Pfadfinderklubs sind Magneten für Pädophile. Wenn irgendwer auf der Suche nach einem Opfer gewesen war, dann hätte er Katy hier am ehesten entdeckt.
    »Ich verstehe, was Sie meinen, aber nein. Wir achten auf so was. Vor etwa zehn Jahren haben wir einen Mann bemerkt, der unsere Unterrichtsräume mit einem Fernglas beobachtete. Wir haben ihn der Polizei gemeldet, aber die hat nichts unternommen, bis er versucht hat, ein kleines Mädchen in sein Auto zu locken. Seitdem sind wir noch wachsamer.«
    »Hat sich irgendjemand ungewöhnlich stark für Katy interessiert?«
    Sie überlegte, schüttelte den Kopf. »Niemand. Alle haben ihr Talent bewundert, viele Leute haben die Benefizveranstaltung unterstützt, auf der wir Spenden für ihr Schulgeld gesammelt haben, aber keiner mehr als die anderen.«
    »Hatte Katy auch Neider?«
    Simone lachte auf, ein kurzes, hartes Schnauben. »Wir haben hier keine Eltern, die ihre Töchter auf der Bühne sehen wollen. Die sollen ein bisschen Ballett lernen, weil es hübsch aussieht, aber sie sollen keinen Beruf daraus machen. Bestimmt waren ein paar von den anderen Mädchen neidisch auf sie, ja. Aber dass sie sie umbringen wollten? Nein.«
    Auf einmal sah sie erschöpft aus. Ihre elegante Haltung war unverändert, doch die Augen wirkten glasig vor Müdigkeit. »Danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben«, sagte ich. »Wir melden uns, falls sich weitere Fragen ergeben.«
    »Hat sie leiden müssen?«, fragte Simone unvermittelt. Sie sah uns nicht an.
    Sie war die Erste, die das fragte. Ich wollte ihr schon die ausweichende Standardantwort mit den noch nicht vorliegenden Obduktionsergebnissen geben, doch Cassie sagte: »Darauf deutet nichts hin. Ganz sicher sind wir noch nicht, aber es scheint schnell gegangen zu sein.«
    Simone wandte mit offensichtlicher Anstrengung den Kopf und sah Cassie in die Augen. »Danke«, sagte sie.
    Sie stand nicht auf, um uns hinauszubegleiten, und ich vermutete, dass sie sich nicht sicher war, ob sie das schaffen würde. Als ich die Tür schloss, sah ich sie noch einmal kurz durch das Rundfenster, wie sie noch immer kerzengerade und reglos dasaß: eine Märchenkönigin allein in ihrem Turm, die um ihre verlorene, von der Hexe gestohlene Prinzessin trauerte.

    »›Ich werde nicht mehr krank‹«, sagte Cassie im Wagen. »Und sie wurde nicht mehr krank.«
    »Willenskraft, wie Simone meinte?«
    »Kann sein.« Sie klang nicht überzeugt.
    »Oder sie hatte sich selbst krank gemacht«, überlegte ich. »Erbrechen und Durchfall kann man ziemlich leicht herbeiführen. Vielleicht sehnte sie sich nach Aufmerksamkeit, und als sie dann von der Royal Ballet School angenommen worden war, brauchte sie die nicht mehr. Da war ihr jede Menge Aufmerksamkeit sicher – Zeitungsartikel, Benefizveranstaltungen und so weiter ... Ich brauch eine Zigarette.«
    »Münchhausen-Syndrom also?« Cassie griff nach hinten, kramte in meinen Jackentaschen herum und fischte meine Zigaretten heraus. Ich rauche Marlboro Reds; Cassie hat keine bestimmte Marke, kauft aber meistens Lucky Strike Light, eine typische Frauenmarke, wie ich finde. Sie zündete zwei an und gab mir eine. »Können wir auch die Patientenakten der beiden Schwestern einsehen?«
    »Schwierig«, sagte ich. »Sie leben, also sind die Akten vertraulich. Falls die Eltern ihr Einverständnis geben würden ...« Sie schüttelte den Kopf. »Wieso, was denkst du?«
    Sie öffnete ihr Fenster einen Spalt, und der Fahrtwind wehte ihren Pony zur Seite. »Ich weiß nicht ... Jessicas Reh-im-Scheinwerfer-Verhalten könnte von dem Trauma durch Katys Ermordung herrühren, aber sie ist auf jeden Fall viel zu dünn. Selbst in dem riesigen Pullover war nicht zu übersehen, dass sie nur halb so kräftig ist wie Katy, und die war beileibe kein Brocken. Und dann die ältere Schwester ... Mit der stimmt auch was nicht.«
    »Rosalind?«, sagte ich.
    Irgendetwas an meinem Tonfall war wohl ungewöhnlich, jedenfalls warf Cassie mir einen Seitenblick zu. »Sie hat dir gefallen.«
    »Ja, kann sein«, sagte ich. »Ich fand sie nett. Sie war sehr fürsorglich zu Jessica. Wieso, mochtest du sie nicht?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«, sagte Cassie kühl. »Ganz egal, wer sie mag oder nicht, sie kleidet sich eigenartig,

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