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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Hälfte davon reine Fantasie ist.«
    »Schon, aber welche Hälfte?«
    »Die Hälfte, die man in Tiger and Dragon zu sehen bekommt.«
    »Ich fand den Film gut«, sagte Frost.
    »Aber haben Sie auch nur einen Moment lang geglaubt, dass Krieger durch die Luft fliegen und in Baumwipfeln kämpfen können? Natürlich nicht, weil es nämlich ein Märchen ist. Genau wie all die anderen Geschichten, die meine Großmutter mir erzählt hat, von Mönchen, die übers Wasser gehen konnten, oder von Unsterblichen, die vom Himmel herabstiegen und sich unter die Menschen mischten.«
    »Aber Legenden haben manchmal einen wahren Kern«, wandte Jane ein. »Und in China gab es wirklich kämpfende Mönche.«
    »Okay«, räumte Tam ein. »Dieser Teil mag ja wahr sein. Es gab tatsächlich die kämpfenden Shaolin-Mönche, die in einem Bergkloster lebten. Sie wurden berühmt für ihre Kampfkünste, nachdem sie den Kaiser gegen Aufständische verteidigt hatten. Aber die Kunst des Wushu entstand lange vor der Zeit dieser Mönche. Sie ist Tausende von Jahren alt – so alt, dass kein Mensch ihre wahren Ursprünge kennt. Und mit jedem Jahrhundert, das vergeht, werden die Sagen noch fantastischer ausgeschmückt. So kommt es, dass manche Leute glauben, Wushu-Krieger seien wie Geister. Unverwundbar und unsterblich.«
    »Nach der Sache gestern Abend neige ich fast auch dazu, das zu glauben«, sagte Jane.
    »Ich bitte Sie!«
    »Sie waren nicht dabei. Sie haben es nicht gesehen.«
    »Ich könnte auch fast glauben, dass es ein Geist ist«, meinte Frost, der gerade einen weiteren Film auf dem Monitor betrachtete. »Ich habe mir die Aufnahmen sämtlicher Kameras im ganzen Viertel besorgt, und bis jetzt habe ich noch rein gar nichts gesehen. Irgendwie ist es ihm gelungen, sich immer im toten Winkel zu halten.« Er wies auf den Monitor. »Diese Kamera befindet sich genau gegenüber von Donohues Lagerhaus. Sie hat die ganze Zeit gefilmt, und trotzdem ist rein gar nichts darauf zu sehen.«
    »Wenn es aus Fleisch und Blut ist, wird es schon irgendwo auftauchen«, sagte Jane.
    Frost klickte ein anderes Video an. »Okay, diese Kamera ist jetzt einen Block entfernt, fast an der Summer Street.« Er startete den Film, und man sah eine schmale Straße, die am hinteren Ende mit einem Maschendrahtzaun abgeschlossen war. Minuten vergingen, ohne dass etwas sich bewegte oder veränderte. »Wieder nichts.«
    Jane klopfte Frost mitfühlend auf die Schulter und stand auf. »Viel Spaß noch beim Sichten. Ruf mich an, wenn du etwas findest.«
    »Ja, mach ich.«
    Sie war fast schon zur Tür hinaus, als sie hörte, wie Frost überrascht nach Luft schnappte. Sie drehte sich um. »Was ist?«
    »Es ist zu schnell gegangen!«
    »Ich habe gar nichts gesehen«, sagte Tam.
    Jane ging zum Monitor zurück und sah zu, wie Frost den Film zurückspulte und wieder startete. Das bekannte statische Bild erschien. Die gleiche schwach beleuchtete Straße mit dem Zaun am Ende.
    » Da! «, sagte Frost.
    Die Gestalt löste sich urplötzlich aus dem Dunkel. Mit dem Rücken zur Kamera huschte sie als verschwommener Fleck die Straße entlang. Mit einem behänden Satz schwang sie sich über den Zaun und ging in die Hocke, als sie auf der anderen Seite landete. Dort hielt sie einen Moment inne und richtete sich zu voller Größe auf.
    Frost hielt das Bild an.
    Die Gestalt war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Sie konnten kein Gesicht sehen, doch die Silhouette zeichnete sich deutlich ab, die schlanke Taille, die unverkennbare Rundung der Hüften.
    »Es ist eine Frau«, sagte Frost.
    Bella Li kam ins Präsidium des Boston PD an der Schroeder Plaza geschlendert, bekleidet mit einer tief sitzenden Bluejeans, hohen Stiefeln und schwarzer Lederjacke. Bevor sie durch den Metalldetektor ging, zog sie die Jacke betont langsam aus – ein Striptease für die Cops, die ihr dabei zuschauten. Darunter kam ein hautenges T-Shirt zum Vorschein, das jede Kurve ihrer BH-losen Brüste voll zur Geltung brachte. Die Blicke der Männer quittierte sie mit einem Haifischlächeln, ehe sie durch die Sicherheitsschranke stolzierte und Jane begrüßte, die sie auf der anderen Seite erwartete.
    »Ich wusste gar nicht, dass man hier gefilzt wird«, meinte Bella.
    »Da müssen alle durch. Sogar der Bürgermeister.« Jane winkte sie zum Aufzug. »Kommen Sie mit nach oben.«
    Während sie in den zweiten Stock hinauffuhren, stand Bella da, die Hüfte ausgestellt, die Lederjacke über die Schulter geworfen. Ihr kurzes Haar stand

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