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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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noch stachliger vom Kopf ab als sonst, wie das Fell einer gereizten Katze, die im nächsten Moment zur Attacke übergeht. Und diese junge Dame könnte mich wahrscheinlich jederzeit aufs Kreuz legen, dachte Jane. Bella war vielleicht nicht sehr groß, aber muskulös und geschmeidig wie ein Panther. Jane starrte sie an und fragte sich: Bist du das Wesen, das ich dort auf dem Dach gesehen habe? Bist du diejenige, die mir in der dunklen Passage das Leben gerettet hat?
    Im zweiten Stock führte Jane Bella zu einem Vernehmungsraum. »Machen Sie es sich bequem. Ich sage Detective Frost Bescheid, dass Sie hier sind«, sagte sie und ließ die junge Frau allein.
    Sie ging ins Nebenzimmer, wo Frost bereits saß und Bella durch den venezianischen Spiegel beobachtete. Ihr Gast wirkte nicht im Mindesten nervös. Sie hatte sich auf dem Stuhl zurückgelehnt und die Stiefel auf den Tisch gepflanzt. Den Kopf in den Nacken gelegt, starrte sie offensichtlich gelangweilt zur Decke hinauf.
    »Hat sie auf dem Weg nach oben irgendetwas Interessantes gesagt?«, fragte Frost.
    Jane schüttelte den Kopf. »Sie hat nicht einmal gefragt, warum wir sie herbestellt haben.«
    »Das ist aber schon interessant. Glaubst du, sie weiß, dass wir etwas wissen?«
    »Ich glaube, sie will uns zeigen, dass es ihr völlig schnuppe ist.«
    Nebenan sah Bella direkt in den Spiegel und zog eine Augenbraue kraus. Ihre Miene sagte unmissverständlich: Können wir das bitte hinter uns bringen?
    »Okay.« Jane seufzte. »Machen wir ihr mal ein bisschen Feuer unterm Hintern.«
    Als Jane und Frost den Vernehmungsraum betraten, nahm Bella die Füße vom Tisch, fläzte aber weiterhin in ihrem Stuhl, die Arme vor der Brust verschränkt, und antwortete mit monotoner Stimme. Zuerst kamen die täuschend harmlosen Fragen. Name? Bella Li. Geburtsdatum? 18. Mai. Beruf? Kampfkunstlehrerin. Bella seufzte laut, das Desinteresse in Person. Doch bei der nächsten Frage zuckten die Muskeln in ihren Unterarmen.
    »Wo waren Sie gestern Abend zwischen achtzehn Uhr und einundzwanzig Uhr?«, fragte Jane.
    Bella hob die Schultern. »Ich war zu Hause.«
    »Allein?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Wir müssen überprüfen, wo Sie sich aufgehalten haben.«
    »Ich betrachte mein Liebesleben als meine Privatangelegenheit. Ich wüsste nicht, warum ich Ihnen irgendwelche Details verraten sollte.«
    »Es war also gestern Abend jemand bei Ihnen?«, fragte Frost nach. »Könnten Sie uns seinen Namen nennen?«
    »Wie kommen Sie darauf, dass ich mich für Männer interessiere? Meinen Sie wirklich, als Frau könnte man nichts Besseres finden?« Sie schenkte Jane ein provozierendes Lächeln.
    »Okay«, sagte Jane. »Dann nennen Sie uns eben ihren Namen.«
    Bella senkte den Blick auf ihre Hände und studierte ihre kurz geschnittenen Fingernägel. »Da war niemand. Ich war allein zu Hause.«
    »Das hätten Sie auch gleich sagen können.«
    »Sie hätten mir auch sagen können, warum Sie mich herbestellt haben.«
    »Sie waren also allein zu Hause. Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt das Haus verlassen?«
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Vielleicht würden Sie sich erinnern, wenn wir Ihnen ein Foto zeigen würden.«
    »Was für ein Foto?«
    Frost antwortete: »Von einer Überwachungskamera in Jeffries Point. Sie sind sehr gut darin, Überwachungskameras auszuweichen, Miss Li. Aber eine haben Sie übersehen.«
    Zum ersten Mal hatte Bella nicht sofort eine Antwort parat, wenngleich ihre Miene unbewegt blieb, ihre Augen so ruhig wie zwei Waldweiher.
    »Wir wissen, dass Sie das sind auf dem Video«, log Jane. Sie beugte sich vor, und sie sah die Pupillen der jungen Frau zucken, eine ebenso unwillkürliche wie verräterische Reaktion. Bella wirkte äußerlich ruhig, doch die Kampf-oder-Flucht-Instinkte in ihrem Inneren waren hellwach. »Wir wissen, dass Sie dort in der Lagerhalle waren. Die Frage ist: Warum?«
    Bella lachte – für jemanden, der so in die Ecke gedrängt war, hatte sie sich erstaunlich schnell wieder gefasst. »Das müssen Sie mir sagen. Wo Sie doch anscheinend alles wissen.«
    »Sie waren dort, um Kevin Donohue einen Schrecken einzujagen.«
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Zuerst haben Sie ihm einen Drohbrief an die Windschutzscheibe gesteckt. Dann sind Sie in seine Lagerhalle eingebrochen. Sie haben seine Alarmanlage ausgeschaltet und seinen Telefonanschluss gekappt.«
    »Das soll ich alles eigenhändig bewerkstelligt haben?«
    »Sie haben eine umfassende Ausbildung in Kampfkunst.

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