Grabesstille
einparken.
»Bitte lächeln – Sie werden gefilmt«, flachste Frost.
Auf dem Video sah man, wie Jane ausstieg, einen Moment stehen blieb und zum Himmel aufblickte, als wollte sie prüfen, aus welcher Richtung der Wind wehte. Ist meine Frisur wirklich so unordentlich, dachte sie und wand sich vor Verlegenheit, als sie sich selbst auf dem Bildschirm sah. Mache ich wirklich so einen Buckel? Ich muss mir angewöhnen, mich gerade zu halten und den Bauch einzuziehen.
Jetzt erschien Donohues Leibwächter Sean, und es entspann sich der Wortwechsel über Janes Waffe. Sean redete auf sie ein, Janes Haltung drückte ihre hartnäckige Weigerung aus.
»Warum haben Sie uns nicht gebeten mitzukommen?«, fragte Tam.
»Ich bin doch nur hingefahren, um diesen Drohbrief abzuholen. Keine große Sache.«
»Ist aber dann doch eine ziemlich große Sache draus geworden. Sie hätten unsere Unterstützung gebrauchen können.«
Auf dem Monitor war zu sehen, wie Jane und der Leibwächter im Lagerhaus verschwanden, dann wurde das Bild statisch. Keine Bewegung war auf dem Parkplatz zu sehen, keine Veränderung; nur ab und zu erhellte der Lichtschein eines vorbeifahrenden Autos die Szenerie. Frost spulte das Video fünf Minuten vor. Dann zehn Minuten. Plötzlich flackerte das Bild, dann wurde der Monitor schwarz.
»Und das war’s«, sagte Frost. »Das Gleiche passiert bei allen vier seiner Überwachungskameras. Der Strom fällt aus, und das Bild ist weg.«
»Dann haben wir also keine einzige Aufnahme von dem Ding«, meinte Tam.
»Nicht auf Donohues Kameras.«
»Ist dieses Wesen denn unsichtbar?«
»Vielleicht ist es einfach nur ziemlich schlau.« Frost öffnete eine Bildvorschau mit Außenaufnahmen des Lagerhauses. »Ich bin heute Morgen mit meiner Kamera hingefahren und habe diese Fotos gemacht. Da kann man sehen, wo die ganzen Kameras montiert sind. Wie zu erwarten, sind sie auf die Eingangsbereiche gerichtet – die Türen und die Verladerampen. Aber die Rückseite des Gebäudes ist nur eine durchgehende Wand; diese Seite wird daher nicht überwacht. Genauso wenig wie das Dach.« Er sah Jane an. »Es ist also rein physisch möglich, den Kameras auszuweichen. Und das heißt, dass es sich nicht um irgendein übernatürliches Wesen handeln muss.«
»Gestern Abend konnte man durchaus auf den Gedanken kommen«, erwiderte Jane leise, als sie sich an das unheimliche Knarren erinnerte, an das Quietschen der Fleischhaken und die baumelnden Rinderhälften ringsumher. »Er hat eine Alarmanlage und zwei Leibwächter. Er ist bis an die Zähne bewaffnet. Aber Donohue weiß beim besten Willen nicht, wie er sich gegen dieses Ding schützen soll, und er macht sich vor Angst fast in die Hose.«
»Warum sollte uns das eigentlich kümmern?«, fragte Tam. »Das Ding nimmt uns die Arbeit ab. Wenn es darum geht, unter dem Mafia-Gesocks aufzuräumen, dann sage ich: Lasst es doch einfach machen.«
Jane starrte die Fotos von Donohues Lagerhaus an. »Tja, es fällt mir verdammt schwer, Ihnen da zu widersprechen. Ich verdanke diesem Ding mein Leben. Aber ich will wissen, wie es in das Gebäude eingedrungen ist. Ich war schließlich dort, und trotzdem habe ich es erst ganz am Schluss kurz gesehen. Als es zuließ , dass ich es sah. Als es so lange auf dem Dach sitzen blieb, dass Donohues Leibwächter es auch sehen konnte.«
»Warum sollte es das tun?«, fragte Frost.
»Vielleicht, um zu beweisen, dass es tatsächlich existiert? Vielleicht, um Donohue einzuschüchtern – um ihm zu zeigen, dass es ihn jederzeit erwischen kann?«
»Und warum hat es das dann nicht getan? Donohue ist immer noch quicklebendig.«
»Und steht Todesängste aus«, sagte Jane. »Das Komische ist, dass es mir gar keine Angst mehr macht. Ich glaube, es ist aus einem ganz bestimmten Grund hier. Mich interessiert nur, wie es das macht, was es macht.« Sie sah Tam an. »Was wissen Sie über Wushu?«
Er seufzte. »Klar, dass Sie da den Quoten-Asiaten fragen.«
»Ach, kommen Sie, Tam, ist doch nur logisch, dass ich mich an Sie wende. Offenbar wissen Sie eine Menge über chinesische Märchen.«
»Das schon«, gab er zu. »Dank meiner Großmutter.«
»Donohue glaubt, dass Ninja-Krieger hinter ihm her sind. Ich habe gestern Nacht noch recherchiert und herausgefunden, dass die Ninja-Techniken ursprünglich aus China kommen. Donohue sagt, diese Leute würden von Kindesbeinen an zum Töten ausgebildet, und sie könnten jedes Abwehrbollwerk durchdringen.«
»Wir wissen beide, dass die
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