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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Freundschaft gefährdet wurde. Der Prozess gegen Officer Graff hatte einen Keil zwischen sie und Jane getrieben, und das erinnerte Maura daran, wie ungewöhnlich ihre Freundschaft von Anfang an gewesen war. Während sie ihren Kittel zuband, war es nicht die Leiche, vor der ihr graute, sondern die Begegnung mit Jane.
    Sie holte noch einmal tief Luft und stieß die Tür auf.
    Ihr Assistent Yoshima hatte den Leichensack bereits auf den Tisch gehoben. Daneben lag auf einem Tablett die abgetrennte Hand, verhüllt mit einem Tuch. Im Bewusstsein, dass Yoshima ihr Gespräch mithörte, begrüßte Maura Jane nur mit einem Nicken und fragte: »Kommt Frost nicht dazu?«
    »Er kann diesmal nicht dabei sein, aber Johnny Tam ist auf dem Weg hierher. Und mir scheint, er kann es gar nicht erwarten, dir beim Schnippeln über die Schulter zu schauen.«
    »Detective Tam ist offenbar sehr bemüht, sich zu beweisen.«
    »Ich glaube, er will unbedingt zum Morddezernat. Und nach allem, was ich bisher gesehen habe, könnte ich mir schon vorstellen, dass er das Zeug dazu hat.« Sie blickte auf. »Ah, wenn man vom Teufel spricht …«
    Durch die Trennscheibe konnte Maura sehen, dass Tam eingetroffen war und sich gerade einen OP -Kittel umband. Kurz darauf trat er ein, sein pechschwarzes Haar unter einer Haube verborgen. Er ging auf den Tisch zu und betrachtete die verhüllte Leiche mit ruhiger, ungerührter Miene.
    »Bevor wir beginnen, Tam«, sagte Jane, »wollte ich Sie nur noch darauf hinweisen, dass das Kotzbecken gleich da drüben ist.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Das werde ich nicht brauchen.«
    »Das sagen Sie jetzt.«
    »Wir fangen mit dem einfacheren Teil an«, sagte Maura und deckte die abgetrennte Hand auf. Sie sah aus wie aus Plastik. Kein Wunder, dass die Touristengruppe sie für ein Halloween-Requisit mit Kunstblut gehalten hatte. Es war bereits ein Abstrich gemacht worden; der Befund war positiv für Schmauchspuren, und Fingerabdrücke von dieser Hand waren am Griff der Heckler & Koch nachgewiesen worden. Damit war jeder Zweifel ausgeräumt, dass das Opfer die Schüsse abgefeuert hatte, von denen die fünf auf dem Dach verstreuten Patronenhülsen stammten. Maura schwenkte das Vergrößerungsglas über die Hand und untersuchte das durchtrennte Gelenk.
    »Der Schnitt geht genau zwischen dem distalen Ende der Speiche und dem Mondbein hindurch«, sagte sie. »Aber ich kann hier ein großes Bruchstück des Dreiecksbeins erkennen.«
    »Und das heißt was?«, fragte Jane.
    »Die Klinge hat einen der Handwurzelknochen durchtrennt. Und diese Knochen sind sehr dicht.«
    »Es muss also eine besonders scharfe Waffe gewesen sein.«
    »Scharf genug, um die Hand mit einem einzigen Schnitt abzutrennen.« Maura blickte auf. »Ich kann keine sekundären Schnittspuren entdecken.«
    »Ich will nur wissen, ob die Hand zu diesem Körper gehört.«
    Maura wandte sich zum Tisch um und zog den Reißverschluss des Leichensacks auf. Die Plastikhülle teilte sich, und ein widerlicher Geruch nach gekühltem Fleisch und abgestandenem Blut stieg auf. Die Leiche war noch vollständig bekleidet, der Kopf nach hinten geneigt, sodass die klaffende Halswunde offen dalag. Während Yoshima Fotos machte, wurde Mauras Blick vom rotbraunen Haar der Toten angezogen, das jetzt mit Blut verklebt war. Wunderschöne Haare, dachte sie, und eine wunderschöne Frau. Eine Frau, die eine Waffe besessen und dort auf dem Dach auf jemanden geschossen hatte.
    »Dr. Isles, wir haben hier eine Haar- oder Faserspur, die sofort ins Auge springt«, sagte Yoshima. Er beugte sich über das schwarze Sweatshirt der Toten und starrte ein einzelnes, helles Haar an, das am Ärmel hing.
    Mit einer Pinzette zupfte Maura das Haar ab und untersuchte es im Schein der Lampe. Es war ungefähr fünf Zentimeter lang, silbergrau und leicht gebogen. Sie sah die Leiche an. »Das ist offensichtlich nicht ihr Haar.«
    »Sieh mal, da ist noch eins«, sagte Jane und deutete auf ein zweites Haar, das an den schwarzen Leggings der Toten hing.
    »Könnten Tierhaare sein«, meinte Yoshima. »Von einem Golden Retriever vielleicht.«
    »Oder vielleicht ist sie von einem grauhaarigen Opa umgelegt worden.«
    Maura steckte die Haare in separate Beweismittelumschläge, die sie zur Seite legte. »Gut, dann wollen wir sie jetzt ausziehen.«
    Als Erstes nahmen sie ihr das einzige Schmuckstück ab, das sie trug, eine schwarze Taucheruhr Marke Hanowa. Als Nächstes kamen die Schuhe – schwarze Reeboks –, gefolgt von

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