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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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bist du dann nicht gekommen?«
    »Ich habe nicht mehr daran gedacht«, sagte er leise. »Du hast es vergessen?«
    Er stieß einen gequälten Seufzer aus. »Ja, ich habe es vergessen. Ich hätte um sechs hier sein sollen, aber ich habe mich ablenken lassen. Deshalb kann ich nicht länger an dem Fall arbeiten. Ich muss mich beurlauben lassen.«
    »Okay, du hast Mist gebaut. Aber wir haben eine entführte Frau zu finden, und da brauchen wir alle Mann an Deck.«
    »Ich bin euch im Moment keine Hilfe. Ich werde bloß wieder Scheiße bauen.«
    »Was ist denn nur los mit dir? Ausgerechnet jetzt, wo ich dich am dringendsten brauche, machst du mir schlapp.«
    »Alice will die Scheidung«, sagte er.
    Sie starrte ihn nur an; ihr wollte einfach keine passende Erwiderung einfallen. Wenn es je angebracht war, ihren Partner in den Arm zu nehmen, dann in diesem Moment. Aber sie hatte ihn noch nie in den Arm genommen, und es wäre ihr unaufrichtig vorgekommen, wenn sie es jetzt plötzlich getan hätte. Und so sagte sie nur: »O Mann, das tut mir echt leid.«
    »Sie ist heute Nachmittag mit dem Flieger gekommen«, sagte er. »Deswegen habe ich es auch nicht zu eurem Grillfest geschafft. Sie ist heimgekommen, um es mir persönlich zu sagen. Immerhin hat sie den Anstand besessen, es mir ins Gesicht zu sagen. Und nicht am Telefon.« Wieder wischte er sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Ich wusste, dass da etwas im Busch war.
    Ich konnte es immer deutlicher spüren, seit sie dieses Jurastudium angefangen hatte. Seitdem schien nichts, was ich tat oder sagte, sie mehr zu interessieren. Ich war nur dieser primitive Bulle, den sie irgendwann mal geheiratet hatte, was sie aber inzwischen längst bereute.«
     
    »Hat sie das wirklich zu dir gesagt.«
    »Das musste sie gar nicht. Ich habe es an ihrer Stimme gehört.«
    Er lachte verbittert. »Neun Jahre sind wir zusammen, und plötzlich bin ich nicht mehr gut genug für sie.« Jane konnte es sich nicht verkneifen, die naheliegende Frage zu stellen. »Und wer ist der andere?«
    »Was macht es für einen Unterschied, ob es einen anderen gibt? Der Punkt ist doch, dass sie nicht mehr verheiratet sein will. Jedenfalls nicht mit mir.« Er verzog das Gesicht, und seine Schultern bebten, so krampfhaft kämpfte er gegen die Tränen an. Aber sie brachen sich dennoch Bahn, und er schaukelte mit dem Oberkörper vor und zurück und verbarg das Gesicht in den Händen. Jane hatte ihn noch nie so gebrochen gesehen, so hilflos, und es machte ihr fast Angst. Sie wusste nicht, wie sie ihn trösten sollte. In diesem Moment wäre sie am liebsten ganz woanders gewesen – lieber an irgendeinem blutigen Tatort als in einem Zimmer mit einem heulenden Mann. Ich sollte seine Waffe an mich nehmen, schoss es ihr durch den Kopf. Ein depressiver Mann und eine Pistole, das war keine gute Kombination. Würde er beleidigt reagieren, wenn sie ihn darauf ansprach? Würde er sich weigern, sie herauszugeben? All diese praktischen Überlegungen gingen ihr durch den Kopf, während sie ihm die Schulter tätschelte und nutzlose Worte der Anteilnahme murmelte. Zum Teufel mit Alice. Ich hab sie sowieso nie gemocht. Und jetzt geht dieses Biest auch noch hin und macht mir das Leben schwer.
    Frost stand abrupt auf und ging zur Tür. »Ich muss hier raus.«
    »Wo willst du hin?«
    »Ich weiß nicht. Nach Hause.«
    »Hör zu, ich rufe Gabriel an. Du kannst mit mir kommen und heute Nacht bei uns bleiben. Du kannst auf der Couch schlafen.«
     
    Er schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Ich muss allein sein.«
    »Das halte ich für keine gute Idee.«
    »Ich will jetzt nicht mit Leuten zusammen sein, okay?
    Lass mich einfach in Ruhe.«
    Sie musterte ihn eingehend und versuchte abzuschätzen, wie sehr sie ihn in diesem Punkt drängen durfte. Und sie sah ein, dass sie sich an seiner Stelle auch lieber in irgendein Loch verkrochen und mit keinem Menschen geredet hätte. »Bist du sicher?«
    »Ja.« Er richtete sich zu voller Größe auf, als müsse er seinen ganzen Mut zusammennehmen für den Gang durch das Gebäude, vorbei an den Kollegen, die sein Gesicht sehen und sich fragen würden, was passiert war.
    »Sie ist es nicht wert, dass du um sie weinst«, sagte Jane.
    »Das ist meine Meinung.«
    »Mag sein«, antwortete er leise. »Aber ich liebe sie.« Er ging zur Tür hinaus.
    Sie folgte ihm bis zum Treppenhaus und blieb am Absatz stehen, um auf seine Schritte zu lauschen, als er die Stufen hinunterstieg. Und sie fragte sich, ob sie ihm nicht

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