Grabkammer
Atem, langsam und regelmäßig, während er seine Gefangene musterte.
»Lassen Sie mich gehen«, flüsterte sie. »Bitte.«
Er sagte immer noch kein Wort, und es war sein Schweigen, das sie am meisten ängstigte. Bis sie sah, was er in der Hand hielt, und wusste, dass ihr weit Schlimmeres bevorstand als dieses zermürbende Schweigen.
Es war ein Messer.
»Es bleibt Ihnen immer noch Zeit, sie zu finden«, sagte Dr. Zucker, der forensische Psychologe. »Wenn wir davon ausgehen, dass der Täter an seine bisherige Praxis anknüpft, wird er mit ihr ähnlich verfahren, wie er es mit Lorraine Edgerton und dem Opfer aus dem Moor getan hat. Er hat sie schon so schwer verletzt, dass sie kaum fliehen oder sich wehren kann. Wir können davon ausgehen, dass er sie noch einige Tage, wenn nicht Wochen am Leben halten wird. Lange genug, um die Rituale an ihr zu vollführen, die er zu seiner Befriedigung braucht, ehe er zur nächsten Phase übergeht.«
»Zur nächsten Phase?«, fragte Detective Tripp.
»Der Konservierung.« Zucker deutete auf die Fotos der Opfer, die auf dem Tisch des Besprechungsraums ausgebreitet waren.
»Ich glaube, dass sie für seine Sammlung bestimmt ist. Als sein neuestes Andenken. Die einzige Frage ist …« Er sah zu Jane auf. »Welche Methode wird er bei Ms. Pulcillo anwenden?«
Jane betrachtete die Bilder der drei Opfer und ließ die grausigen Alternativen an ihrem geistigen Auge vorüberziehen. Ausgeweidet, in Salz eingelegt und in Leinen gehüllt werden wie Lorraine Edgerton? Den Kopf abgeschlagen bekommen, worauf die Haut vom Knochen abgezogen und auf die Größe eines Puppengesichts eingeschrumpft wird? Oder in schwarzem Moorwasser versenkt werden, das den Todeskampf des Opfers für alle Zeiten in der ledrigen Maske des Gesichts festhält?
Oder hatte der Mörder für Josephine noch einen ganz speziellen Plan in der Hinterhand, eine neue Technik, die sie noch nicht kannten?
Es war still geworden im Besprechungsraum, und als Jane sich am Tisch umschaute, sah sie in den grimmigen Mienen der versammelten Detectives das Eingeständnis der beunruhigenden Wahrheit – dass die Zeit für diese Frau rapide ablief. Dort, wo sonst immer Barry Frost saß, stand nur ein leerer Stuhl.
Ohne ihn schien das Team nicht komplett zu sein, und sie musste immer wieder unwillkürlich zur Tür schielen, in der vagen Hoffnung, dass er doch noch plötzlich auftauchen und seinen gewohnten Platz am Tisch einnehmen würde.
»Ob wir sie finden, hängt vielleicht in erster Linie davon ab, wie tief wir in die Psyche des Entführers einzudringen vermögen«, sagte Zucker. »Wir brauchen mehr Informationen über Bradley Rose.«
Jane nickte. »Wir sind schon dabei, sie zu sammeln. Wir versuchen herauszufinden, wo er gearbeitet hat, wo er gelebt hat, wer seine Freunde sind. Und wenn er einen Pickel auf dem Hintern hat, wollen wir das verdammt noch mal auch wissen.«
»Seine Eltern dürften die ergiebigste Informationsquelle sein.«
»Bei denen hatten wir kein Glück. Die Mutter ist zu krank, um mit uns zu sprechen. Und was den Vater betrifft – der macht einfach dicht.«
»Obwohl das Leben einer Frau in Gefahr ist, verweigert er die Zusammenarbeit?«
»Kimball Rose ist kein gewöhnlicher Mann. Schon allein, weil er Geld wie Heu hat und sich von einer ganzen Armee von Anwälten schützen lässt. Für ihn gelten die Regeln nicht. Und auch nicht für seinen abartigen Sohn.«
»Sie müssen ihn mehr unter Druck setzen.«
»Crowe und Tripp sind gerade aus Texas zurückgekommen«, sagte Jane. »Ich habe sie hingeschickt, weil ich dachte, mit ein bisschen machomäßiger Einschüchterung könnten wir vielleicht etwas erreichen.« Sie blickte sich zu Crowe um, dessen massigen Schultern man immer noch ansah, dass er im College-Footballteam Linebacker gespielt hatte. Wenn einer mit der Macho-Nummer Erfolg haben würde, dann Crowe.
»Wir konnten noch nicht einmal in seine Nähe gelangen«, berichtete Crowe. »Schon am Tor sind wir von so einem miesen Rechtsverdreher und fünf Wachmännern abgefangen worden.
Wir sind gar nicht erst ins Haus reingekommen. Die Roses haben eine Wagenburg um ihren Sohn aufgebaut – aus denen werden wir absolut gar nichts herausbekommen.«
»Was wissen wir denn überhaupt über Bradleys Verbleib?«
Tripp antwortete: »Er ist schon vor einer ganzen Weile untergetaucht. Wir haben für die letzten Jahre keinerlei Kreditkartentransaktionen feststellen können, und auf sein Konto bei der
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