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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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gesagt.«
    »Und wo ist er dann?«
    »Er kam kurz nach uns hier an. Jetzt ist er oben.« Young hielt einen Moment inne und fuhr dann leise fort: »Gehen Sie nicht zu hart mit ihm ins Gericht, ja?«
    »Weil er es verbockt hat?«
    »Er soll Ihnen selbst erzählen, was passiert ist. Aber zuerst …«
    Er wandte sich zur Tür um. »Zuerst muss ich Ihnen das hier zeigen.«
    Sie folgte ihm ins Lager.
    Hier zeichneten die Fußspuren sich deutlicher ab; die Sohlen des Täters waren so voller Blut gewesen, dass sie große Spritzer hinterlassen hatten. Young tauchte in das Labyrinth von Regalen ein und wies auf einen schmalen Durchgang. Der Gegenstand seiner Aufmerksamkeit saß eingeklemmt zwischen einigen Kisten.
    »Vom Gesicht ist nicht mehr viel übrig«, bemerkte Young.
    Aber was Jane sah, reichte aus, um Simon Crispin zu erkennen. Der Schlag hatte seine linke Schläfe mit voller Wucht getroffen, hatte Knochen und Knorpel zerschmettert und einen blutigen Krater hinterlassen. Das Blut, das aus der Wunde geflossen war, hatte sich in einer riesigen Lache um die Leiche herum gesammelt und war von den im Durchgang verstreuten Sägespänen aufgesogen worden. Nach der Attacke hatte Simon noch kurze Zeit gelebt; sein Herz hatte noch lange genug geschlagen, um das ganze Blut durch die Adern zu pumpen, das sich aus dem zertrümmerten Schädel über den Betonboden ergossen hatte.
    »Irgendwie hat der Täter das Timing genau richtig hinbekommen«, sagte Young. »Er muss das Gebäude beobachtet haben. Er muss gesehen haben, wie Mrs. Willebrandt das Museum verließ, und gewusst haben, dass nur noch zwei Personen im Gebäude waren: Dr. Pulcillo und ein zweiundachtzigjähriger Mann.« Young sah Jane an. »Wie ich höre, hatte sie ein Gipsbein, also konnte sie nicht davonlaufen. Und sie konnte auch nicht viel Widerstand leisten.«
    Jane sah auf die Schleifspur hinunter, die Josephines Körper hinterlassen hatte. Wir haben ihr gesagt, sie sei hier sicher.
    Deshalb ist sie nach Boston zurückgekommen. Sie hat uns vertraut.
    »Da ist noch etwas, das Sie sehen müssen«, sagte Young. Sie blickte auf. »Was?«
    »Ich zeig’s Ihnen.« Er führte sie zum Ausgang zurück. Sie traten aus dem Kistenlabyrinth hervor. »Das da«, sagte Young und deutete auf die geschlossene Tür. Auf die zwei Worte, die jemand mit Blut auf das Türblatt geschrieben hatte.
    FINDE MICH
     
    Jane stieg die Treppen zum zweiten Stock hinauf. Inzwischen waren auch die Rechtsmediziner und die Spurensicherung mit ihrer Ausrüstung eingetroffen, und das Gebäude hallte wider von den Stimmen und den knarrenden Schritten einer ganzen Invasionsarmee. Der Lärm drang durch das zentrale Treppenhaus nach oben. Auf der obersten Stufe hielt sie inne. Sie war plötzlich total erschöpft, und sie hatte das alles so furchtbar satt – das ganze Blut, das Morden, die Fehlschläge.
    Vor allem die Fehlschläge.
    Das perfekt gegrillte Steak, das sie vor ein paar Stunden bei ihrer Mutter gegessen hatte, lag ihr wie ein Stein im Magen.
    Von einer Minute auf die andere, dachte sie – so schnell kann ein heiterer Sommersonntag in eine Tragödie umschlagen.
    Sie durchquerte den Ausstellungsraum mit den menschlichen Gebeinen, ging vorbei am Skelett der Mutter, die die Überreste ihres Kindes im Arm hielt, und bog in den Flur des Verwaltungstrakts ein. Durch eine offene Tür sah sie Barry Frost allein in einem der Büros sitzen, mit hängenden Schultern, das Gesicht in den Händen vergraben.
    »Frost?«, sagte sie.
    Widerstrebend richtete er sich auf, und sie stellte erschrocken fest, dass seine Augen rot gerändert und verquollen waren. Er wandte sich ab, als sei es ihm peinlich, dass sie seinen Schmerz sehen konnte, und wischte sich rasch mit dem Ärmel übers Gesicht.
    »Du liebe Zeit«, sagte sie. »Was ist denn mit dir los?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht. Ich muss von dem Fall abgezogen werden.«
    »Willst du mir vielleicht sagen, was passiert ist?«
    »Ich habe Scheiße gebaut. Das ist passiert.«
    Es kam nicht allzu oft vor, dass sie Kraftausdrücke aus seinem Mund hörte, und dass er jetzt in ihrer Gegenwart dieses Wort benutzte, überraschte sie noch mehr als sein Geständnis.
    Sie trat ins Zimmer und schloss die Tür. Dann zog sie sich einen Stuhl heran und setzte sich ihm direkt gegenüber, sodass er es nicht vermeiden konnte, ihr in die Augen zu sehen.
    »Du solltest sie doch heute nach Hause begleiten, nicht wahr?«
    Er nickte. »Ich war an der Reihe.«
    »Und warum

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